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Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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doch gewiss niemanden, der seinen würdelosen Abgang vor zehn Jahren vergessen hatte. Auch ihn schmerzte die Erinnerung. Und eben deswegen war er heute hier.
    „Ich wollte euch wiedersehen.“
    „Ach ja, mit einem Mal geläutert, lieber Bruder? Du hast dir wahrlich viel Zeit gelassen, dich zu besinnen.“ Ein Hauch von Stahl hatte sich in Damiens Stimme geschlichen und seine Augen blitzten, als er Manuel kalt anlächelte. „Oder bist du gekommen, um dein wohlverdientes“, er schrieb mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, „Erbe anzutreten?“
    „Mein … Erbe? Was soll das heißen?“
    „ Dass du dich dümmer stellst, als du bist! Du hast mich sehr wohl verstanden. Oder soll ich es auf Gälisch versuchen? Dir eine Zeichnung machen?“
    Sein Erbe? Was war passiert? Manuel befürchtete, dies könnte eine langwierige Diskussion werden, die an diesem Ort besser nicht geführt werden sollte. Also versuchte er es mit einer unverfänglich scheinenden Frage: „Wie geht es den anderen, vor allem mam ? Und Julian.“
    Einen langen Augenblick sagte Damien kein Wort, sondern schien sich völlig auf seine Arbeit zu konzentrieren. Dann drehte er sich im Zeitlupentempo zu seinem älteren Bruder um. Seine Miene verfinsterte sich zusehends, bis Manuel einen ausgewachsenen Wutausbruch befürchtete.
    „Frag sie selber“, flüsterte Damien mühsam beherrscht und schaute über die Schulter seines Bruders. „Vorausgesetzt natürlich, dir bleibt so viel Zeit, bevor du wieder davonrennst.“
    Manuel richtete sich zu voller Größe auf. Unzählige Male hatte er sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie sich nach all den Jahren wieder gegenüberstehen würden. Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals und er fühlte seine Hände feucht werden. Langsam wandte er sich um.
    „ Mam …“
    Für einen Moment machte sich Bestürzung auf seinem Gesicht breit, als er die zerbrechliche Gestalt erblickte, die sich Halt suchend an die Haustür lehnte. Er ging zwei Schritte auf sie zu, blieb jedoch abrupt stehen, als hätte er Angst vor ihrer Reaktion.
    „ Mam , ich … ich bin gekommen, um …“
    „Manuel, mein Junge , du bist wieder da. Tá fáilte romhat isteach sa bhaile .“ Einladend breitete sie die Arme aus. „Komm her, du Rumtreiber, und begrüße deine Mutter, wie es sich gehört. Und dann erzähl mir, wo du so lange gesteckt hast. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
    Vorwürfe hätte er ertragen, Zornausbrüche, nicht dagegen diesen Blick, eine Mischung aus überbordender Freude und grenzenloser Trauer. Sie war so klein und verletzlich!
    Er hatte sie verletzt. Einfältig und trotzig wie ein Kind hatte er es ihr übel genommen, dass sie sich in einen anderen Mann als seinen Vater verliebt und Matthias Clausing letztendlich sogar geheiratet hatte. In seinen Augen war dies ein schändlicher Verrat an seinem Vater, was er ihr über viele Jahre nicht verzeihen konnte. Später dann, reifer und einsichtiger geworden, war es grenzenlose Scham gewesen, die ihn gehindert hatte, zu ihr zu gehen und sie um Entschuldigung zu bitten.
    Nachdem er schließlich während der vergangenen Monate nichts anderes tun konnte, als im Krankenbett zu liegen und mit sich und der Welt zu hadern, war er zu der Einsicht gelangt, dass es nunmehr an der Zeit war, Ordnung in sein Leben zu bringen. Seine letzte Reise auf dem Frachtschiff „Charley“ hatte ihm mit aller Brutalität vor Augen geführt, wie vergänglich ein Leben war. Die kurze Zeit, die einem Menschen auf dieser Welt vergönnt war, erschien ihm mit einem Mal als zu wertvoll, um sie mit kleinlichen Streitereien und haltlosen Vorwürfen wegen irgendwelcher Fehler zu vergeuden.
    Zögernd trat er näher. „ Mam , ich möchte dich um Verzeihung bitten.“
    Sie schloss Manuel in die Arme und zog ihn fest an sich, ihren ältesten Sohn, der seinem Vater so ähnlich war.
     

2. Kapitel
     
    „ Mam ? Mam , was hast du vor?“ Damien eilte auf seine Mutter zu, als müsste er sie vor dem Teufel persönlich schützen.
    Sie hatte eine n Arm um Manuels Taille gelegt, in der anderen Hand hielt sie den Strauß Freesien, in den sie gerade schnuppernd ihre Nase versenkte, und konnte gar nicht anders, als mit der Sonne um die Wette zu strahlen.
    „Willst du … d u willst ihn doch nicht etwa ins Haus bitten?“
    „Genau das habe ich vor, mo mhac . Und du solltest dich schämen, eine solche Frage gestellt zu haben. Hast du vergessen, dass er ein Teil dieser Familie ist?“
    „Ein Teil dieser
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