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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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dich tun kann, ist, deinen Namen bei einigen zu erwähnen und den Irrtum zu erregen, du suchtest das Abenteuer.«
    »Das wird meinem Ruf schaden.«
    »Gibt es eine bessere Tarnung?«
    Darauf gab Jakob keine Antwort, sondern trat an das schmale Fenster und blickte hinaus. Der Himmel war nun, am späten Nachmittag dieses 18. November 1526, wolkenlos und von einem reinen Blau, als habe es nicht tagelang geregnet; sollten die Wolken die nächsten Tage ausbleiben, so würde es noch einmal warm werden. Die Stadt würde in all ihrer Geschäftigkeit ihre Heiterkeit zurückgewinnen, und ehe es endgültig in den tristen Winter hineinging, mochten die sieben Hügel nochmals erblühen, und sei es nur vom blitzenden Rot der Hagebutten.
    »Was weiß man«, Jakob drehte sich wieder zu Trippa um, »von den drei vorherigen Opfern?«
    »Wenig. Bildhübsch und jung waren sie alle, dabei stets ephebenhaft und mit kurzem Haar nach Knabenart. Jede ist schrecklich zugerichtet worden. Immer gab es Anzeichen von Verkehr und auch«, der Monsignore stockte und errötete ein wenig, »von der Art der Knabenliebe.«
    »Wissen wir die Namen der Opfer?«
    »Nein. Lediglich bei einer, dem zweiten Opfer, gab es Hinweise auf eine Villa in einem kleinen Städtchen der Orsini in den Bergen. Aber die Nachforschungen erbrachten nichts. Es scheint so, als habe niemand die Opfer gekannt. Jeden Tag kommen neue Dirnen nach Rom, das Gewerbe blüht und lockt manches dumme Ding ins Verderben.«
    »Wo wurden die Toten gefunden?«
    »Die erste lag am Ende der Tiberinsel, offensichtlich angespült; niemand kann sagen, wo sie ins Wasser geworfen wurde. Die zweite fand man im Trümmerfeld unter dem Kapitol, und so, wie es aussieht, ist sie auch dort getötet worden. Die dritte wurde im Park in der Nähe von San Pietro in Montorio entdeckt, versteckt hinter einem Wachholderbusch.«
    »Wer hat die Leichen gefunden?«
    »Ein Angler war's auf der Tiberina, ein Bettler beim Kapitol und eine Hure mit ihrem Freier in Gianicolo. Das Geschrei war jedesmal groß, und nach der dritten Leiche verbreitete sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer durch die Stadt. – Was für ein Glück, daß heute einer von uns die grausige Entdeckung gemacht hat.«
    »Und alle erlitten die gleichen Verletzungen?« fragte Jakob ungläubig.
    Trippa nickte. »Mehr weiß ich nicht.«

Rauhreif am Campo de Fiori
    Als die Abendnebel vom Tiber heraufkrochen und die ersten Fackeln in ihren Wandhalterungen eine irrlichternde Helligkeit verbreiteten, verließ ein Mädchen seinen Platz an der Südspitze der Tiberina, eilte an San Bartolomeo all'Isola vorbei und über die Ponte Fabricio zur Stadt hinüber. Schwarz glänzend fiel das Haar über ihre Schultern hinab bis auf die Höhe der Ellbogen, die sie im Gehen leicht angewinkelt hielt. Das weiße Kleid aus grobem Leinen bot einen scharfen Kontrast zu den Haaren wie zu der dunklen Haut ihres hübschen Gesichts. In der Dämmerung erschien sie wie eine Fee aus einer fernen, mit den römischen Patriziern untergegangenen Sagenwelt.
    Während das Mädchen dahineilte, begleiteten sie die Blicke etlicher Männer; manche drehten sich nach ihr um und pfiffen laut zwischen den Zähnen hervor, zwei oder drei riefen ihr Scherzworte zu; das alles war von so derber Art, daß sich Serena nicht darum kümmerte. Sie wollte zum Campo de Fiori, um dort ihre Tante zu treffen, die für sie sorgte und der sie manchmal abends zur Hand gehen mußte; unverfängliche Gefälligkeiten waren das, wie beispielsweise einen Krug Rotwein oder einen Kanten Graubrot mit Fleisch besorgen.
    Ihre Tante Bibiana legte Wert darauf, daß Serena mit den unehrenhaften Seiten ihres Gewerbes nicht in Berührung kam. Serena sollte es einmal besser haben, erklärte die Tante beinahe jeden Tag, seit sie vor einem Jahr in Rom eingetroffen waren. Sie hatten der Not gehorcht, damals, nachdem Serenas Mutter Carla im Kindbett gestorben und der Säugling wenige Tage später einem rätselhaften Fieber erlegen war. Von heute auf morgen war Bibiana mit ihrem Söhnchen Giovanni und ihrer Nichte Serena allein gewesen. In dem kleinen Städtchen Olevano hatte man sie wie eine Aussätzige behandelt; die Schwestern Carla und Bibiana waren als Waisen aufgewachsen, dienten im Haushalt eines Orsini und erlagen, jede zu ihrer Zeit, den Werbungen junger Edelleute. Zuerst hatte sich Serenas Mutter schwängern lassen und durfte ihre Tochter unter grummelnder Duldung der Contessa im Haus aufziehen. Elf Jahre später erging es
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