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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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Zulassung von Gott, aber es waren trotzdem nicht die bösen Taten, die dem Herrn gefielen; einzig, weil er dem Bösen Gewalt auf der Welt gegeben hatte, mußte der Herr die bösen Taten erdulden.
    Jakob trank wieder einen Schluck Wein, und zu seiner Überraschung prostete ihm ein altes Weib lächelnd zu. Auf ihrem Kinn sprossen lange Barthaare, und trotz des Lächelns wirkten ihre Augen düster.
    »Ihr habt nach den Nutten gefragt, Herr«, raunte sie. »Sucht Ihr nach Engeln?«
    »Nicht so, wie du meinst«, antwortete Jakob überhastet und voller Scham.
    »In der Via de Barbiere gibt es ein schmales Haus. Fragt dort nach Claudia.« Sie lachte, und Jakob sah ihre braunen Stummelzähne. »Ihr seid ein guter Mann, das sehe ich. Ihr werdet unsere Mädchen von der Angst erlösen. Fragt nach Claudia!«
    Jakob sann den Worten der Alten nach, die im Trubel des Marktes verschwunden war. Sosehr er nach ihr Ausschau hielt – er konnte sie nicht mehr entdecken. Das machte ihn besonders neugierig und trieb ihn an, sich sofort nach der Via de Barbiere aufzumachen und Claudia zu besuchen. Andererseits mußte er vorsichtig sein. Noch wußte niemand von dem neuerlichen Mord, und der Kanzler erwartete geheime Nachforschungen. Würde Jakob nun allzu rasch bei einer Kurtisane oder Kupplerin auftauchen, nährte er womöglich in Kreisen der Huren Argwohn gegenüber dem Klerus, und um die Heimlichkeit wäre es geschehen. Ebensowenig konnte er ausschließen, daß sich mit der Nachricht einer neuerlichen Toten Angst und Unruhe weiter ausbreiteten und die vom Kanzler geforderte Ruhe gefährdeten.
    Nein, er mußte anders vorgehen. Jakob legte eine Kupfermünze im Wert von fünf Quattrini auf den Tisch und schlenderte über den Campo de Fiori. Vielleicht lief ihm die Alte noch einmal über den Weg, dann könnte er ihr einige Fragen stellen; vielleicht spielte ihm der Zufall auch weitere Hinweise in die Hand. Er beschloß, über den Markt zu gehen. An manchem Stand verharrte er, um das Gemüse zu betrachten und hier und da einen Salatkopf in die Hand zu nehmen. Mit diesem sinnlichen Eindruck kam die Erinnerung an seine Novizenzeit im Münchner Kloster, wo er viel in der Küche geholfen hatte. Schon als Knabe hatte er den lukullischen Genüssen zugesprochen, und sein Hang zu verfeinerter Speise hatte unter den Fittichen von Bruder Balthasar eine hervorragende Ausbildung erfahren. Balthasar kochte fürstlich und gereichte selbst einem Medici zur Ehre, obwohl die Italiener fürwahr treffliche Küchenmeister waren. Allein der guten Küche wegen schätzte Jakob es, in Rom zu leben. Das sah man ihm an: Im Vergleich zum hageren Monsignore Trippa besaß Jakob eine füllige Statur. Mit seinem ausgeprägten Bauch wirkte er manchmal tapsig wie ein Bär. Sein rundes Gesicht glänzte zumeist, was alle für einfältige Zufriedenheit hielten; ein wenig Würde verlieh ihm sein Bart, und seine blauen Augen lagen tief in fleischigen Kratern. Alles in allem eine Physiognomie, die wesentlich dazu beitrug, daß ihn fast alle unterschätzten – und mittlerweile wußte Jakob das zu genießen und auszunutzen. Als junger Mönch hatte er noch unter seinem Aussehen und dessen Wirkung auf andere gelitten, ja, er hatte zu Ingolstadt sogar versucht, sein Gewicht durch Fasten deutlich zu reduzieren, allerdings ohne sonderlichen Erfolg.
    Nach dem Stand der Sonne zu urteilen, war es Zeit für die Sext, und da Jakob keine weiteren Verpflichtungen oblagen, er insbesondere an der Sapienza weder Resumptiones noch Disputationes zu halten hatte, schritt er hinüber zu Santa Maria sopra Minerva, um mit den dortigen Dominikanern die Mittagsandacht zu begehen. Hier, in der kühlen Düsternis der gotischen Kirche, fühlte er sich der Weltlichkeit Roms entrückt und fand jene Nähe zu Gott, die ihn seit seiner Priesterweihe zu Ingolstadt begleitete.
    Es ist gut, begann Jakob sein Zwiegespräch mit Gott, Dich, o Herr, bei mir zu wissen, denn diese Stadt frißt den Glauben wie in den Rinnsteinen die Säue den Abfall. Dann fiel er ein in die lateinischen Psalmen.
    Nach der Andacht machte er sich auf den Weg zu Trippas Haus neben der Engelsburg. Er wollte Monsignore Trippa in seiner Kanzlei antreffen und mit ihm das weitere Vorgehen absprechen, insbesondere erste Erkundigungen einholen über die Kurtisanen Roms und einzelne Häuser. Vielleicht kannte Trippa eine Kupplerin namens Claudia oder wußte zumindest jemanden, der in den einschlägigen Verhältnissen bewandert war.
    Während Jakob
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