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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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Ecke stand, und wusch sich ausgiebig die Hände. »Selten eine so gepflegte Hure gesehen. Kennt man die Dirne?«
    »Ihre Identität müssen wir noch herausfinden«, murmelte Trippa und blickte Jakob auffordernd an.
    Eine Stunde später stand Jakob am Fenster seiner Zelle im Collegio Teutonico, in dem seit Hunderten von Jahren deutsche Geistliche, Pilger und Gelehrte wohnten, und blickte hinunter auf den kleinen Friedhof Camposanto Teutonico, auf dem so mancher Romreisende seine letzte Ruhestätte gefunden hatte und nach dem im Volksmund das Kollegienhaus oft einfach Camposanto genannt wurde. Gegenüber lag Sankt Peter und war leider keine altehrwürdige Basilika mehr, sondern eine große Baustelle. Ihretwegen, ging es Jakob durch den Kopf, streiten wir uns nun mit Luther herum, weil sie so viel Geld frißt, daß mit dem Ablaßhandel übertrieben wurde.
    Jakob schüttelte den Kopf und überlegte, wie er mit dem seltsamen Auftrag des Kanzlers umgehen solle. Er war beileibe kein gewiefter Inquisitor, wie Monsignore Trippa vielleicht vermuten mochte, und obwohl er zu Ingolstadt den Doctor Iuris erworben hatte, fühlte er sich unsicher im Poenalprozeß. Gewiß, er hatte dem berühmten Johannes Eck gegen die lutherischen Umtriebe an der Universität und im Herzogtum geholfen, aber da hatten ihm Schreiber und Richter des Landshuter Herzogs zur Seite gestanden, und es war ein geringes Verdienst, die Verführten zum Abschwören zu bewegen. Seine Oberen hatte ihn keineswegs nach Rom geschickt, damit er in Inquisitionsfragen erfahren werde, sondern um ihn zum Ruhme des Ordens an der Universität lehren zu lassen. Außerdem sollte er seine Studien über Erasmus vervollkommnen, in der Kanzlei des Ordensgenerals mitwirken und eine deutsche Zunge in die allfälligen Entscheidungen einbringen. Das schien heute wichtiger denn je angesichts Karls wachsender Macht und der immer drängenderen Forderung des gewählten, jedoch ungekrönten Kaisers nach einem allgemeinen Kirchenkonzil. Jakob spürte durchaus Stolz darüber, beim Kanzler des Papstes als klarer Denker aufgefallen zu sein und für einen vertrauenswürdigen Kirchenmann gehalten zu werden, aber er mochte nicht einsehen, daß ihn allein dies dazu befähigen sollte, heimlich Verbrechen auszuforschen. Andererseits erkannte er gerade in seinem Status als Fremder einen für Kardinal Farnese unschätzbaren Vorteil; wer sich zu lange in der Ewigen Stadt aufhielt, rechnete zwangsläufig irgendwann einer der vielen Parteien zu und tat sich fortan schwer mit einem unabhängigen Urteil.
    Soutane und Skapulier von weißer Wolle, trug Jakob den Habit der Dominikaner immer noch stolz unter dem offenen schwarzen Mantel, wenn er den Borgo verließ und in die geschäftige Stadt hineinging. Während er sinnend an der Engelsburg vorbeischritt, spürte er achtungsvolle Blicke manch einfacher Menschen, die kaum einem Purpurträger mit Ehrfurcht begegnet wären. Jakob kam diese Aufmerksamkeit zupaß, während er durch Straßen und Gassen schlenderte, denn es herrschte viel Betrieb auf den Straßen; dreist trieben die Fuhrleute und Reiter ohne Beachtung der Fußgänger ihre Pferde an. Der Schwache mußte auf der Hut sein, daß er in den engen Straßen nicht unter die Räder und Hufe kam. Doch auf Jakob achteten sogar die besonders Rücksichtslosen, und so gelangte er unbeschadet zum Campo de Fiori.
    Von allen belebten Plätzen Roms liebte Jakob diesen am meisten; wohl beeindruckte ihn der Stein gewordene Zirkus der Piazza Navona, doch fehlte es diesem Platz an Lieblichkeit; und selbstverständlich zog ihn der Platz vor Sankt Peter in seinen Bann, weil der Vatikanpalast so respektheischend aufragte, aber die Bauarbeiten am Dom ließen keine Heiligkeit der Stätte zu. Am Kapitol dagegen atmete die Geschichte zu schwer für Jakobs Gemüt, und im Trümmerfeld der Kaiserforen kam er sich meist verloren vor, denn hier zeigte sich ein Rom eigener Wesenszug besonders deutlich: Nirgends war mehr zauberische Einöde als zwischen Kapitol und Kolosseum. Vielfach bestimmte quer durch das weitläufige Gebiet der Stadt innerhalb der Aurelianischen Mauer, welche von unvorstellbarer Länge war, Wildnis das Bild; selbst in so belebten Straßen wie der Via Giulia oder der Strada del Popolo lagen zwischen neu errichteten Prachtbauten Brache und undurchdringliches Gebüsch, das Ruinen überwucherte. Im Gassengewirr des Marsfeldes fanden sich baufällige Wohnhäuser den reichsten Palazzi benachbart. Wiederholt
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