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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
Autoren: Luchterhand
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Handballen den Schweiß ab.
    Wir treffen uns um vier. Vergiss es nicht.
     
    Er blieb noch ein Weilchen liegen, vielleicht schlief er auch wieder ein. Ja, er schlief ein, aber nur für wenige Minuten, erwachte ein drittes Mal, ging ins Bad, sah in den Spiegel. Der rundwangige, stupsnäsige blonde Junge Anfang vierzig dort, das bin ich. Das Haar wird schon schütter und ist grad wieder etwas zu lang, steht in alle Richtungen davon (eine Glorie ), aber das sieht man kaum, denn erstens ist der Spiegel klein und zweitens bilden seine großen, lächelnden (die Krähenfüße, schon in jungen Jahren!) blauen Augen ein Zentrum, das dem Rest: Doppelkinn, Stoppeln, erste graue Haare in den Koteletten, jede Aufmerksamkeit entzieht. Am Rande hält er einen Inhalator zwischen den Lippen: atmet ein, hält die Luft an.
     
    Darius Kopp war ein kränkliches Kind, Asthma bronchiale von Geburt an, es gab Zeiten, besonders zu Anfang, da sah es Nacht für Nacht so aus, als würde er ersticken, bevor der Morgen anbrach. Ist es ein Wunder, dass seine Mutter noch Angst um ihn hatte, als er schon auf die 30 zuging? Dabei war er zu diesem Zeitpunkt schon seit einer Weile aus dem Gröbsten heraus. Der Fall der Berliner Mauer lag 6 Jahre zurück und Kopp für seinen Teil war darüber hinweg. Genauer gesagt, war nie etwas anderes in mir als frohe Erwartung und lebendige Hoffnung, wie denn auch nicht, wenn man das persönliche und historische Glück hat, 24 zu sein, mit einem taufrischen Informatikdiplom in der Tasche, und gesegnet mit einer optimistischen Natur? So kann man natürlich leicht den Blick ausschließlich nach vorne richten, dorthin, wo eine wunderbare Zukunft gleißt.
    Er stand auf einem geteerten Dach, noch in Sandalen, Jeans-Shorts
und einem offenen Hemd, in dem man sein noch unbehaartes Brustbein sehen konnte - Ja, auch ich war einst ein drahtiger junger Mann aus dem Osten -, der Himmel war wolkenlos blau, im Hof blühte der Flieder und über Darius’ Gesicht verteilte sich ein Grinsen, während er die Arme ausbreitete und über die Dächer, in die Höfe, die Straße rief: Leben! Er rief: Leben! und grinste noch einmal extra das Mädchen an, das bei ihm war. - Den Namen weiß ich noch. Ines. Es war quasi noch am selben Tag vorbei. Er kam vom Dach herunter und zog sich einen Anzug an und fühlte sich immer noch wohl.
    Man stand gerade am Anfang eines wirtschaftlichen Booms, später die New Economy Blase genannt, und Darius Kopp war nach eigenem Empfinden mittendrin. Natürlich war er in Wirklichkeit nicht mittendrin, aber er war auch nicht gerade der linke Arsch im letzten Glied, das wäre untertrieben, er war immerhin auf Ebene zwei, unter dem Büroleiter, über den Sekretärinnen, gleich zu zwei anderen Produktmanagern, in der Berliner Dependance einer US-amerikanischen Firma, die einst mit Flugzeugteilen groß geworden ist und mittlerweile Kabel, Stecker und Buchsen für Computernetzwerke verkaufte. 1997 waren Roller für Erwachsene in Mode, wer was auf sich hielt, flitzte damit auf Messen von Stand zu Stand, auch Kopp, obwohl die Gefährte auf 90 kg limitiert waren und er diese Marke bereits hinter sich gelassen hatte. - Mit der Wende kam der Appetit. Ich weiß auch nicht. Ich könnte praktisch immer essen. - Je näher die Jahrtausendwende rückte, um so rauschender wurden die Feste, die Band spielte Baila, baila bis hoch unters Messehallendach, und einmal blieb Kopp auf einer Empore stehen und warf jauchzend seine Visitenkarten in die tanzende Menge, und dann öffnete er den Mund ganz weit, damit ihm weitere gebratene Krammetsvögel hineinfliegen
konnten, bis sein Bauch endgültig rotund davon wurde, wie ein ey. (Und auf dem Heimweg sah ich das erste und - bislang letzte - Mal in meinem Leben die Autobahn doppelt, aber das sag keinem).
    1999 lernte er Flora kennen. - Neben all dem anderen ist das hier nicht zuletzt eine Liebesgeschichte. - Flora hieß mit Nachnamen Meier, kam aber aus Ungarn und versuchte, in der Filmbranche Fuß zu fassen. Sie liebten einander sofort sehr - Seitdem ich dich kenne, habe ich mit keiner anderen Frau mehr geschlafen! - Das ist lieb von dir, Schatz -, aber deswegen bleibt die Welt nicht stehen, und bekanntlich macht erst Arbeit den Menschen zu einem Menschen. - Damit ist nicht Erwerb sarbeit gemeint, Schatz, sondern, grob gesagt, dass du Pläne machen und deinen Daumen zur Handfläche hin bewegen kannst. - So gut sich das auch anhört, ganz stimmt es nicht, aber natürlich verstand er, was sie
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