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Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
Autoren: Luchterhand
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Besucherraum daneben. In einer Kiste bunte Holzbausteine für Kinder. Tommy und Merlin waren nicht da. Aber sie kommen bald wieder.
    Wo sind sie hin?
    Aufs Klo.
    Ach so.
    Hol dir doch eine Tasse vom Wagen auf dem Flur.
    Wo?
    Du musst daran vorbeigekommen sein.
    Ich mach das schon!

    Lore holte ihm eine Tasse, er bedankte sich. Kaffee hatte Frau Monkowski in einer Thermoskanne mitgebracht, denn der, der auf dem Wagen steht, ist nur für die Patienten. Als Kuchen gab es Pflaumenstreusel. Sind das schon neue Pflaumen? Woher denn? Tiefgekühlt. Macht nichts, schmeckt sehr gut.
    Greta war frisch frisiert (Wer hat es gemacht? Kopp stellt sich der Reihe nach alle drei anderen Frauen vor. Oder jemand Unbekanntes, dessen Beruf das ist), die Locke über ihrer Stirn wurde von einer kleinen Schmetterlingsklammer zurückgehalten. Wenn sie wach und lebendig ist, fallen die Augenbrauen nicht so auf. Sie trug keine Bettkleidung, sondern eine hellblaue Bluse und einen beigefarbenen Rock. An den Beinen trug sie blickdichte Strümpfe. Frau Monkowski trug Lippenstift. Die erste 70jährige, die Kopp je gesehen hat, die damit nicht wie eine wahnsinnig gewordene Kokotte aussieht. Marlene traute er sich lange nicht anzusehen.
    Tommy und Merlin kamen zurück. Merlin sah Kopp an, als wüsste er nicht, wer er ist. Oh, und außerdem saß er wohl auf seinem Stuhl.
    Ach was, nein, bleib sitzen. Marlene nahm Merlin auf den Schoß. Er ist fast so groß wie sie, und hat mindestens ihr Gewicht. Er sitzt auch nicht auf ihr, er lehnt sich nur an ihr Knie. Tommy blieb stehen.
    Tommy, wie geht es dir?
    Gut. Und dir?
    Ich bin heute entlassen worden.
    Er nahm sich ein weiteres Stück Kuchen.
    Wie es zuerst alle gar nicht kapieren, wie man es wiederholen muss, wie sie es kaum glauben mögen, wie sie es schließlich doch glauben.
    Ist das wahr?
    Ja.

    Greta, Marlene, Tommy, Lore, Merlin sagten nichts (aber Merlin sah jetzt das erste Mal interessiert drein), Frau Monkowski fragte:
    Wieso?
    Meine Firma fusioniert mit einer anderen und sie behalten nur ein Büro in der Region Deutschland-Österreich-Schweiz. Nicht meins.
    Frau Monkowski nickte. Das passiert heutzutage leider immer wieder.
    Ja, sagte Kopp, lächelte, zuckte mit einer Schulter, you win, you loose.
    Er senkte lächelnd den Kopf und nahm einen kleinen Löffel voll vom Kuchen. (Haben sie die Löffel auch mitgebracht? Aber warum dann nicht lieber Gabeln? Nein, sind wohl vom Patientenwagen.) Marlene, die seitwärts von ihm saß, legte ihm eine Hand auf den Unterarm. Die sturmgebeutelten künstlichen Fingernägel.
    Du wirst einen anderen finden, sagte Marlene.
    Ja, sagte er, das werde ich. Ich hab bis jetzt immer etwas gefunden. Wenn du kompetent bist, engagiert, loyal und so weiter, dann findest du auch was.
    Ja. Du hast schließlich eine gute Ausbildung.
    Apropos, was macht deine?
    Endlich war es ihm gelungen, sie anzusehen. Blaugrüne Kaleidoskop-Augen, es schwindelt einem, wenn man hineinsieht.
    Heute früh.
    Heute früh?
    Die Prüfung.
    Du hast heute früh die Prüfung abgelegt?
    Die erste.
    Von wie vielen?
    Drei.

    Und?
    Sie kannte das Ergebnis noch nicht, war aber zuversichtlich.
    Kopp freute sich. Das ist gut. Das ist richtig gut, Marlene. Er strahlte seine Schwester an, sie lächelte zurück.
    Sie verbrachten den ganzen Nachmittag miteinander. Als es dunkel zu werden begann, verabschiedeten sie sich.
    Was machst du jetzt?
    Ich fahre zurück. Ich muss zu Flora.
    Über die Gesichter von Greta und Marlene huschte etwas. Nicht in Klammern: durch Eifersucht bedingtes demonstratives Desinteresse.
    Es geht ihr grad nicht so gut. Sie ist erschöpft. Sie ist aufs Land gefahren.
    In den Gesichtern von Greta und Marlene: noch einmal dasselbe. (Es kann sich nicht alles ändern.) In den anderen Anwesenden löste die Erwähnung Floras gar nichts aus.
     
    Er fuhr zurück. Es ist nicht notwendig, durch die Stadt zu fahren, man kann über den Autobahnring außen herum fahren. Er fuhr außen herum. Das Navigationssystem kennt Gabys Straße nicht, er fand sie trotzdem gleich beim ersten Versuch. Als er einbog, fing es zu nieseln an. Die einzige Straßenlaterne der Straße blendete, er fuhr eine Grundstückslänge, ohne etwas zu sehen, außer der weißen Fläche, zu der die Windschutzscheibe geworden war. Dahinter war Gabys Haus.
    Es war niemand zu Hause. Kopp sah, dass das Haus dunkel war, dennoch öffnete er das Gartentor. Als er durch den Garten ging, hatte er plötzlich ein Gefühl nicht nur von »das hier
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