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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Antonio Hill
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eine Frau herunter. Es war nicht zu erkennen, ob sie groß war oder klein. Dunkelhaarig, mit schwarzem Mantel und etwas in der Hand. Sie war so weit von der Kamera entfernt, dass ihr Gesicht kaum zu sehen war, noch dazu drehte sie den Kopf immer wieder zu der Stelle, wo sie auf den Bahnsteig getreten war.
    »Sehen Sie, Inspektor? Sie schaut sich die ganze Zeit um. Als ob ihr jemand folgt.«
    Héctor sagte nichts. Er behielt den Bildschirm fest im Blick. Nach der Uhr, die rückwärts zählend die Zeit bis zur nächsten Bahn anzeigte, blieben der Frau kaum mehr als drei Minuten Leben.
    Sie hielt sich abseits der Gleise, mit dem Profil zur Kamera. Im Vordergrund hatten sich zwei der vier Jugendlichen auf die Bänke gesetzt oder vielmehr hingelegt. Héctor erkannte ein Mädchen unter ihnen. Vorher hatte er sie nicht gesehen. Sehr kurze schwarze Shorts und irre hohe Absätze, ein weißer Anorak. Neben ihr versuchte einer der Jungs sie um die Taille zu fassen, aber sie löste sich schroff und sagte etwas zu ihm, worauf die beiden anderen in Gelächter ausbrachen. Der Junge wandte sich ihnen drohend zu, aber die beiden machten sich weiter lustig.
    Héctor behielt die Frau im Auge. Ihr war nicht wohl in ihrer Haut, so viel war klar. Zuerst schien sie zu den Jugendlichen gehen zu wollen, doch als sie sie lachen sah, blieb sie stehen und drückte ihre Handtasche fest an sich. Niemand sonst hatte den Bahnsteig betreten, trotzdem schaute sie sich ständig um. Vielleicht versuchte sie so die Jugendlichen, die ganz offensichtlich aus Lateinamerika stammten, zu ignorieren. Schließlich richtete sich ihr Blick auf etwas in ihrer Hand. Nachdenklich machte sie ein paar Schritte und stellte sich an den gelben Sicherheitsstreifen, als wollte sie noch ein paar Sekunden herausschlagen.
    »Sie hat auf ihr Handy geschaut«, bemerkte Fort.
    Und dann schien alles auf einmal zu passieren. Die Jungs sprangen auf, nahmen das ganze Bild ein, während der Zug in die Station einfuhr.
    »Sie muss genau in dem Moment gesprungen sein«, sagte der Sicherheitsmann, während auf dem Bildschirm der Zug anhielt, die Türen aufgingen und Neugierige auf den Bahnsteig strömten. »Aber wegen dieser Latinos kann man nichts sehen. Der Zugführer selbst hat Alarm gegeben. Armer Kerl.«
    Schon merkwürdig, dachte Héctor, der Zugführer rührt ihn mehr als die tote Frau. Als hätte sie es bei ihrem letzten Akt an Rücksicht vermissen lassen.
    »Und es gibt keine Kameras, die das Bild aus einem weiteren Winkel aufzeichnen?«, fragte Salgado.
    Der Sicherheitsmann schüttelte den Kopf:
    »Die Drehkreuze am Eingang werden kontrolliert, damit die Leute sich nicht durchschmuggeln, aber in dem Moment ist niemand gekommen.«
    »Na denn. Hätten wir das geklärt«, urteilte Salgado. Und wenn Fort ihn besser gekannt hätte, hätte er gewusst, dass dieser trockene Tonfall ein Gewitter verhieß. »Wir nehmen die Aufnahme mit, dann kann der Herr schließen und nach Hause gehen.«
    Der Sicherheitsmann hatte keine Einwände.
    »Mensch, Fort, sag nicht, du hast mich um diese Uhrzeit herkommen lassen, um mir eine Aufnahme zu zeigen, auf der nichts zu erkennen ist.« Er war ihm erst seit ein paar Wochen unterstellt, so dass der Inspektor auf dem kurzen Weg zum Bahnsteig seinen Unmut so höflich wie möglich zum Ausdruck brachte, auch wenn seine leise Stimme es nicht schaffte, die schlechte Laune zu verbergen. Er holte tief Luft, wollte nicht allzu streng sein, so spät war es leicht, sich gehenzulassen. Noch dazu machte Fort ein derart zerknirschtes Gesicht, dass Salgado Mitleid mit ihm hatte. »Aber egal, wir besprechen das in Ruhe. Und wo ich schon mal hier bin, klären wir die Sache mit den Jugendlichen.«
    Worauf er die Treppe hinuntereilte, ohne etwas auf seinen Kollegen zu geben.
    Die Jugendlichen, zwei von ihnen, saßen auf derselben Bank, auf der sie vorhin gesessen hatten. Denen ist das Lachen vergangen, dachte Héctor, als er sie vollkommen steif dasitzen sah. Während er auf sie zuging, versuchte er die schwarzen Plastiksäcke zu ignorieren, die auf dem Bahnsteig verstreut lagen.
    »Frag nach, ob sie fertig sind«, sagte er zu Fort, »und bringt den Leichnam endlich weg.«
    Im trüben Licht der Station machten die Typen keinen besonders seriösen Eindruck. Zwei uniformierte Beamte standen vor ihnen. Sie unterhielten sich, als hätten sie nichts mit den beiden zu tun, behielten sie aber im Auge. Als Salgado hinzukam, grüßten die Polizisten ihn und traten einen Schritt
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