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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz
Autoren: David Ignatius
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mit dem Firmenserver angestellt hatte.
    Als er mit seinem eigenen Schlüssel die Tür zu Onkel Jamshids Büro öffnete, sah der junge Mann, dass die Sekretärin noch nicht nach Hause gegangen war. Die unbeholfene junge Frau aus Isfahan, die über viele Ecken mit ihm verwandt war, leerte noch die Papierkörbe aus, verabschiedete sich dann aber und ließ ihn allein. Er wollte ihr noch ein paar Rial geben, aber sie war zu schnell weg. Vielleicht war es auch besser so; womöglich hätte sie sich später an das Trinkgeld erinnert. Er fuhr den Computer hoch und steckte eine CD-ROM mit seiner neuen Software in das Laufwerk. Draußen war es jetzt ein wenig kühler geworden. Er machte Musik an und entspannte sich.
     
    Jetzt war er
posht-e-pardeh,
hinter dem Vorhang. Er hatte ein Geheimnis. Ein Geheimnis, das in vielen anderen Geheimnissen versteckt war. In Persien, wo es als schlechtes Benehmen gilt, etwas offen auszusprechen, war das ganz normal. Wenn man hier einen Handwerker fragt, was er für seine Arbeit verlangt, lehnt er jegliche Bezahlung ab. Nicht dass er umsonstarbeiten wollte, er möchte nur einfach keinen Preis nennen. Ganz ähnlich verhielt es sich mit dem Geheimnis des jungen Wissenschaftlers. Es war ein Geschenk, aber nicht umsonst. Es war die Wahrheit, aber nicht die, die man auf den ersten Blick dahinter vermuten würde.
    Warum tat er das? Die Antwort darauf war eher ein Gefühl, das sich nicht mit Worten ausdrücken ließ. Es setzte sich aus unzähligen kleinen Kränkungen zusammen, von denen ihm jede einzelne einen Stich versetzt hatte. Die letzte war das, was sie gerade seinem Vetter Hussein antaten. Hussein war ihnen immer ein treuer Diener gewesen. Einer von den
bach-e-ha,
einer der Ihren
.
Und trotzdem hatten sie ihn kaputt gemacht. Das taten sie häufig. Und dann war da das Beispiel seines Vaters, der stets unbeirrt zu seinen Überzeugungen stand und dessen Worte dem jungen Mann nicht mehr aus dem Kopf gingen. All das ließ ihn an dem Menschen verzweifeln, zu dem er geworden war. Wenn er nicht etwas unternahm, würde er sich nicht mehr im Spiegel ansehen können. Er würde jeden Respekt vor sich selbst verlieren.
    Die Leute, an die er sich jetzt wandte, waren sicherlich alles andere als dumm. Aber war es klug, sich an Außenstehende zu wenden? Es war wie beim Händeschütteln. Iraner hatten einen schlaffen, weichen Händedruck, trügerisch unterwürfig, während man bei manchen Ausländern Angst um seine Fingerknochen haben musste, obwohl der Händedruck doch als ein Zeichen von Zuneigung und Freundlichkeit gedacht war. Diese schraubstockartige Begrüßung war in Deutschland weit verbreitet. Es war barbarisch, aber irgendwie auch verzeihlich. Die westliche Kultur hatte so viel vorzuweisen, dass sie nie gelernt hatte, wie man etwas verbarg. Wenn derjunge Wissenschaftler vorsichtig war und sich genau an das hielt, was er geplant hatte, würde er unsichtbar bleiben. Er würde seinen Stein ins Wasser werfen, und dann würde er abwarten.
    Aber würden die Leute auf der anderen Seite des Teichs auch verstehen, was die Wellen im Wasser bedeuteten? Er hatte Angst, doch er versuchte, sie nicht zu unterdrücken. Angst konnte einen auch stark machen. Das hatte sein Vater ihm gesagt, kurz vor seinem Tod. Die Angst beherrscht dich nur so lange, bis du dich ihr stellst, danach wird sie zu deiner Lehrerin und Beschützerin. Sie geleitet dich durch die Finsternis, sie sagt dir, wie du lügen musst. Sie ist der Schleier, hinter dem du dich verbirgst, während du deine Rache und deine Flucht vorbereitest.

2   Washington
    Die Amerikaner nannten ihn «Doktor Ali», und in der Terminologie der CIA galt er als «virtueller Überläufer». Am Abend zuvor hatte er auf der öffentlichen Website der CIA, www.cia.gov , auf den Knopf «Kontakt» geklickt und daraufhin ein E-Mail -Formular erhalten, das eine unverhohlene Einladung zum Vaterlandsverrat beinhaltete. «Sollten Sie Informationen haben, von denen Sie glauben, dass sie für die CIA interessant sind, verwenden Sie dafür bitte dieses Formular. Wir sichern Ihnen zu, dass wir alle Informationen, einschließlich Ihrer Identität, streng vertraulich behandeln werden.» Darunter stand, wohl als zusätzliche Beruhigung, dass die gelieferten Informationenmit einem Secure-Socket-Layer verschlüsselt würden. Was hinter diesem beeindruckend klingenden Feature steckte, wurde nicht weiter erläutert. Bei diesem Besucher war das aber auch nicht nötig. Er wusste genau, was er
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