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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J. F. Dam
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vorsichtig.
    Â»Bernard!«, ruft er. »Was führt Sie denn zu mir?«
    Â»Ich bitte um einen Doppelten ohne Milch und Zucker«, sage ich statt zu antworten und hoffe dabei, dass Schmithausen auch in diesem Haus eine gute Kaffeemaschine stehen hat.
    Â»Bin schon wieder zurück.« Schmithausen geht in die Küche, macht seine Espressomaschine an, füllt Kaffee nach und drückt zwei Mal auf die Taste. Dann einmal für sich selber. Es fängt an zu duften. Auch hier eine Brasil-Santos-Röstung im Vordergrund. Ich komme mir zum ersten Mal richtig dumm vor, weil ich so etwas denke.
    Â»Ein Unbekannter namens Iskander«, sage ich, als Schmithausen zurückkommt und sich setzt. Es soll eine Antwort auf die Frage sein, die er bei meinem Eintreten gestellt hat. »Ich habe Briefe erhalten.«
    Aus Schmithausen wird augenblicklich ein Stein. Er kriegt die Augen nicht mehr zu, auch die Lippen klaffen auseinander. Nach fünf oder gar zehn Sekunden fällt die gesamte steinerne Konstruktion jedoch in sich zusammen. Schmithausen nimmt die Form eines kläglichen, zerfließenden Puddings an, so als wäre jede Lebenskraft aus ihm hinausgeronnen und nur noch ein Haufen Knochen halte die Dinge zusammen. Schmithausen schließt die Augen.
    Â»Bitte, Bernard«, sagt er mit leiser Stimme.
    Er erhebt sich. Er geht zu den großen Terrassentüren und dann hinaus in den Garten. Dort sehe ich ihn zehn Minuten lang herumstreifen. Er schielt über den Zaun, danach über die Mauer im hinteren Teil des Gartens. Eine Weile steht er bei einem großen, alten Kirschbaum. Ich mache mir Sorgen um ihn. Als er zurückkommt, beschließe ich, so zu tun, als hätten wir noch den Boden unter den Füßen. Ich unterrichte ihn in wenigen Worten über den Inhalt der Briefe, und über Christians Funde.
    Â»Ich weiß es auch nicht«, sagt Schmithausen, als ich zu Ende gekommen bin.
    Ich blicke ihn streng an. Dieses ganze Schauspiel ist lächerlich.
    Â»Kein Name. Eine Legende sagt, Iskanders Nachfolge gehe zurück auf Alexander den Großen selber. Auch Maettgen wusste übrigens von diesen Dingen.«
    Â»Iskander ist die Bezeichnung für ein Amt?«, sage ich; dabei denke ich an Alexanders Eroberungen, an das, was folgte, an Asien, und an Europa als einen riesigen Phallus.
    Â»Ein Amt, ja, selbstverständlich. Die Nachfolgeregelung ist allerdings unbekannt.«
    Schmithausen macht eine Pause. Er sieht traurig aus. Gleich wird ein Hustenanfall kommen. Vorsorglich setzt er sich.
    Ich helfe ihm.
    Â»Da muss doch ein wenig mehr sein, was man über diesen Mann weiß«, sage ich. Ja, diese Frage entspringt der Höflichkeit. Denn ich weiß gar nicht, ob mich dieser Iskander noch interessiert.
    Â»Sie haben schon recht, Bernard. Doch, wie gesagt, alles ist bloß Legende, Spekulation. Der Iskander, so sagt man in manchen Kreisen, die ich um Himmels willen nicht benennen will, sei stets eine sogenannte Brücke. Es bestehe bei ihm eine Verbindung zwischen Europa und Indien. Und er wähle eine Frau, die, so meinen diese Leute, Helena heißen müsse. Ein alter Reflex vielleicht, der erste Krieg Europas gegen Asien in Troja. Und man sagt auch, der Iskander verwahre eine Halskette aus Holzkugeln, die vor zweitausend Jahren aus einem Baum in Kaschmir geschnitzt worden ist.«
    Â»Und wie passt Christian Fust in dieses, verzeihen Sie, etwas groteske Szenario?«
    Â»Iskander mag ihn für seine Ziele benutzt haben. Das letzte Ding. Der letzte Ort. Fust war ein hervorragendes Instrument. Ein Genie. Die Handschrift kann ein Köder gewesen sein, und eine Fährte. Ich könnte mir denken, man hat sie ein wenig verfälscht.«
    Eine Fälschung. Ha! Das Intelligenteste, das ich seit Wochen höre. Da ist aber noch etwas. Ich schweige. Ich denke nach. Und ich gelange zu einem Gedanken, den ich nicht wage, zu Ende zu denken. Ich wage es nicht.
    Und deshalb sage ich etwas ganz anderes.
    Â»Das alles zusammen ist doch blanker Unsinn.«
    Â»Ganz Ihrer Meinung«, sagt Xaver Schmithausen schwach. »Ganz Ihrer Meinung.«
    Â 
    Â 
    3 Das dem dritten Brief Iskander Mahans vorangestellte Zitat ist in dem von E.A. Wallis Budge in London 1896 publizierten Buch zu finden: The Life and Exploits of Alexander the Great Being a Series of Ethiopic Texts.

 
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    POSTSKRIPTUM:
    Es ist Abend. Lange habe ich gezögert, doch jetzt bin ich entschlossen, im Netz
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