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Der dritte Berg

Titel: Der dritte Berg
Autoren: J. F. Dam
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dunklen Haare einer eingehenden Prüfung unterzieht.
    Mein Magen baumelt an seidenen Stricken. Fast glaube ich, kotzen zu müssen. Ich sage etwas. »Ja, das ist Frau Chelseworth, Margaret Chelseworth«, sage ich. Fiala nickt zufrieden, er hat, was er will, und dieser Wilson hüstelt. Fiala wendet sich abrupt um, während Robert Wilson noch eine Sekunde stehen bleibt, dann steuern sie beide langsam auf die Tür zu. Ich zögere. Nicht nur Maggie, sondern dem Tod selber fühle ich mich ein paar Augenblicke lang seltsam nahe. Es ist, als strecke er zärtliche Arme nach mir aus. Soeben habe ich Maggie zum letzten Mal gesehen. Das begreife ich erst jetzt. Es folgen Räuspern und ein letztes Schnauben des Obduktionsarztes, der nun die Kunststoffhülle wieder über Maggies Kopf zieht. Dann trotten wir alle nach oben; Stahltüren öffnen und schließen sich. Ich wage es nicht, einen Blick zurück zu werfen.
    Â 
    Mit schwerem Schritt verlässt Chefinspektor Fiala das Gelände der Klinik und bedeutet Wilson und mir, ihm durch den Nebel zu folgen. Die Kronen der Linden über uns sind blasse Skelette.
    Fiala steckt sich eine Zigarette an. Abrupt bleibt er stehen. »Gift«, sagt er. »Keinerlei äußere Gewaltanwendung.« Der Rauch steigt dabei durch seinen rostgrauen, buschigen Schnauzbart. Fiala trägt eine Jacke aus braunem Leder, dazu Cordhosen. Auch seine Wimpern sind rostfarben. »Und wenn Sie es genau wissen wollen, Dr. Rai, dafür ist dann der toxikologische Befund zuständig. Drei, vielleicht vier Tage.«
    Â»Vermutlich Suizid«, brummt Fiala weiter und setzt sich wieder in Gang. »Und was für eine kolossale Scheiße sowieso.«
    Â»Miss Chelseworth«, sage ich, »hätte sich niemals …«
    Â»Dass man sich in den Menschen nur nicht täuscht, sie bringen sich auch um, wenn sie achtunddreißig und quickfidel sind, wie Frau Chelseworth«, und dabei fängt Fiala sich einen finsteren Blick von Robert Wilson ein, für den sich Mitglieder der englischen Gesellschaft niemals einfach so um die Ecke bringen, fidel oder nicht. »Wir haben nichts, das auf einen Mord hindeuten könnte. Abgesehen von einem fehlenden Motiv.« Fiala sieht mich an. »Vorschläge?«
    Ich zucke mit den Schultern. Sie sind schwer. Es mag der Nebel sein. Er verdichtet sich und wird gleich wie ein grauer Felsblock auf uns fallen.
    Â»Und wie«, sage ich schwach, »sind Sie zu meiner Nummer gekommen?«
    Â»Sie haben gestern Abend noch mit Frau Chelseworth telefoniert.« Das ist natürlich keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nicke trotzdem. »Heute Morgen«, sagt Fiala und stößt die Worte mit jedem Schritt vor sich her über den nassen Asphalt, »kurz. vor neun. ist Frau Chelseworth. dann. verstorben.«
    Â»Anderthalb Stunden später«, fährt er nach pietätvoller Pause fort, »war die Polizei bereits zur Stelle. Man hat Frau Chelseworth in ihrer Agentur vermisst. Hätte dort einen wichtigen Termin wahrnehmen sollen. Frau Chelseworth stammte aus London?« Fiala tut, als ob er das nicht schon wüsste.
    Â»Nördlich von London«, sage ich. »Kleiner Landadel.«
    Wilson hüstelt. Er denkt, er muss jetzt etwas sagen. Wilson ist ganz dunkel gekleidet und bestes Westend-Englisch presst sich aus seiner Nase: »Die britische Botschaft, in deren Auftrag ich der Identifizierung beiwohnen durfte, ist besorgt, wie Sie sich denken können, Mr. Rai.«
    Eine Adlige, wenn auch nur Chelseworth, tot in Wien. Die ganze Botschaft aus dem Schlaf geschreckt. Fialas Schnauzbartspitzen zucken griesgrämig. Auch ihm gefällt dieser Wilson nicht. »Sie kennen doch Christian Fust, Miss Chelseworths früheren Ehemann?«, fragt er. »Seit drei Wochen liegt uns eine Vermisstenanzeige von Frau Chelseworth vor. Er ist Professor für …« Fiala zögert.
    Â»Kultur Südasiens«, ergänze ich.
    Â»Kultur Südasiens«, wiederholt Fiala langsam. Dieser für ihn neue Kontinent – Südasien! – macht ihn nachdenklich.
    Â»Ich habe Frau Chelseworth damals zur Polizei begleitet«, sage ich. »Sie war seit einem Jahr geschieden, aber trotz allem sehr besorgt wegen Christian Fusts langer Abwesenheit.«
    Â»Und Sie selber«, sagen Robert Wilsons dünne, hässliche, englische Lippen, »Sie haben diese Sorge nicht …?«
    Jetzt darf ich zum ersten Mal etwas
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