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Der Doktor Faust (German Edition)

Der Doktor Faust (German Edition)

Titel: Der Doktor Faust (German Edition)
Autoren: Heinrich Heine
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mit Spießen und Bogen ebenfalls einen Kampftanz beginnen. Dieses artige Spiel wird aber plötzlich gestört: die erschreckten Liebesbübchen werfen sich rasch auf ihre Reitschwäne und flattern von dannen bei der Ankunft der Herzogin, die auf einer ungeheuren Fledermaus durch die Luft herbeigeflogen kommt, und wie eine Furie vor den Thron tritt, wo Faust und Helena ruhig sitzen. Sie scheint jenem die wahnsinnigsten Vorwürfe zu machen und diese zu bedrohen. Mephistophela, die den ganzen Auftritt mit Schadenfreude betrachtet, beginnt wieder ihren Bacchantentanz, dem die Jungfrauen der Helena sich ebenfalls wieder tanzend beigesellen, so daß diese Freudenchöre mit dem Zorn der Herzogin gleichsam verhöhnend kontrastieren. Letztere kann sich zuletzt vor Wut nicht mehr lassen, sie schwingt den Zauberstab, den sie in der Hand hält, und scheint diese Bewegung mit den entsetzlichsten Beschwörungssprüchen zu begleiten. Alsbald verfinstert sich der Himmel. Blitz und Donnerschlag, das Meer flutet stürmisch empor, und auf der ganzen Insel geschieht an Gegenständen und Personen die schauderhafteste Umwandlung. Alles ist wie getroffen von Wetter und Tod: die Bäume stehen laublos und verdorrt; der Tempel ist zu einer Ruine zusammengesunken; die Bildsäulen liegen gebrochen am Boden; die Königin Helena sitzt als eine fast zum Gerippe entfleischte Leiche in einem weißen Laken zur Seite des Faust; die tanzenden Frauenzimmer sind ebenfalls nur noch knöcherne Gespenster, gehüllt in weiße Tücher, die über den Kopf hängend nur bis auf die dürren Lenden reichen, wie man die Lamien darstellt, und in dieser Gestalt setzen sie ihre heitern Tanzposituren und Ronden fort, als wäre gar nichts passiert, und sie scheinen die ganze Umwandlung durchaus nicht bemerkt zu haben. Faust ist aber bei diesem Begebnis, wo all sein Glück zertrümmert ward durch die Rache einer eifersüchtigen Hexe, aufs höchste gegen dieselbe erbost; er springt vom Thron herab, mit gezogenem Schwerte, und bohrt es in die Brust der Herzogin.
    Mephistophela hat die beiden Zauberrappen wieder herbeigeführt, sie treibt den Faust angstvoll an, sich schnell aufzuschwingen und reitet mit ihm davon durch die Luft. Das Meer brandet unterdessen immer höher, es überschwemmt allmählich Menschen und Monumente, nur die tanzenden Lamien scheinen nichts davon zu merken, und bei heitern Tamburinklängen tanzen sie bis zum letzten Augenblick, wo die Wellen ihre Köpfe erreichen und die ganze Insel gleichsam im Wasser versinkt. Über das sturmgepeitschte Meer, hoch oben in der Luft, sieht man Faust und Mephistophela auf ihren schwarzen Gäulen dahinjagen.

Fünfter Akt
    Ein großer freier Platz vor einer Kathedrale, deren gotisches Portal im Hintergrunde sichtbar. Zu beiden Seiten zierlich geschnittene Lindenbäume; unter denselben links sitzen zechende und schmausende Bürgersleute, gekleidet in der niederländischen Tracht des sechzehnten Jahrhunderts. Unfern sieht man auch mit Armbrüsten bewaffnete Schützen, die nach einem auf einen hohen Pfahl gepflanzten Vogel schießen. Überall Kirmesjubel: Schaubuden, Musikanten, Puppenspiel, umherspringende Pickelheringe und fröhliche Gruppen. In der Mitte der Szene ein Rasenplatz, wo die Honoratioren tanzen. -
    Der Vogel ist herabgeschossen und der Sieger hält als Schützenkönig seinen Triumphzug. Eine feiste Bierbrauerfigur, auf dem Haupte eine enorme Krone, woran eine Menge Glöckchen, Bauch und Rücken behängt mit großen Schilden von Goldblech, und solchermaßen mit Geklingel und Gerassel einherstolzierend. Vor ihm marschieren Trommler und Pfeifer, auch der Fahnenträger, ein kurzbeiniger Knirps, der mit einer ungeheuern Fahne die drolligsten Schwenkungen verrichtet; die ganze Schützengilde folgt gravitätisch hinterher. Vor dem dicken Bürgermeister und seiner nicht minder korpulenten Gattin, die nebst ihrem Töchterlein unter den Linden sitzen, wird die Fahne geschwenkt und neigen sich respektvoll die Vorüberziehenden. Jene erwidern die Salutation, und ihr Töchterlein, ein blondlockiges Jungfrauenbild aus der niederländischen Schule, kredenzt dem Schützenkönig den Ehrenbecher.
    Trompetenstöße ertönen und auf einem hohen mit Laubwerk geschmückten Karren, der von zwei schwarzen Gäulen gezogen wird, erscheint der hochgelahrte Doktor Faust in scharlachrotem und goldbetreßtem Quacksalberkostüme; dem Wagen voran, die Pferde lenkend, schreitet Mephistophela, ebenfalls in grell marktschreierischem Aufputz,
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