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Der Derwisch und der Tod

Der Derwisch und der Tod

Titel: Der Derwisch und der Tod
Autoren: Meša Selimović
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Hand auf
den Scheitel, es wird nicht lange dauern, aber ich brauche es, nicht lange,
denn ich höre schon die ersten Hähne krähen.
    Die ersten Hähne! Die boshaften
Herolde, sie hetzen die Zeit, sie spornen sie an, daß sie nicht schläft, sie
beschleunigen die Unglücke, reißen sie auf von ihren Lagern, damit sie uns
aufgeplustert entgegentreten. Schweigt, ihr Hähne, bleib stehen, Zeit!
    Soll ich in die Nacht
hinausschreien, Menschen herbeirufen, Hilfe suchen?
    Umsonst, die Hähne sind
unerbittlich, sie machen schon Aufruhr.
    Ich knie und lausche. In der Stille
des Zimmers, irgendwo, aus einer Wand, von der Decke herab, aus einem
unsichtbaren Raum höre ich die Uhr schlagen, die das Unheil verkündet, höre ich
den unaufhaltsamen Schritt des Schicksals.
    Die Furcht überflutet mich wie
Wasser.
    Die Lebenden wissen nichts. Lehrt
mich, ihr Toten, wie man ohne Furcht oder wenigstens ohne Entsetzen sterben
kann. Denn der Tod ist sinnlos, so wie das Leben.
    Bismilâhir-rahmanir-rahim!
    Ich rufe zum Zeugen die Tinte und
die Feder und die Schrift, die aus der Feder fließt;
    Ich rufe zum Zeugen die schwankenden
Schatten des sinkenden Abends und die Nacht und alles, was sie lebendig macht;
    Ich rufe zum Zeugen den Mond, wenn
er schwillt, und die Morgenröte, wenn sie aufdämmert;
    Ich rufe zum Zeugen den Jüngsten Tag und die Seele, die sich selbst anklagt;
    Ich rufe zum Zeugen die Zeit, Anfang
und Ende aller Dinge – dafür, daß jeder Mensch immer Verlust erleidet.
    Eigenhändig
hat Hasan, Sohn Alijas, hinzugesetzt:
    Ich wußte nicht, daß er so unglücklich
war.
    Frieden seiner gequälten Seele!
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