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Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams

Titel: Der Bund der Drachenlanze - 08 Michael Williams
Autoren: Das Siegel des Verraters
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sagte Caramon.
»Ich auch nicht«, knurrte Otik hinter ihm.
Raistlin verdrehte die Augen. »Ist doch einfach, soweit
ich sehe. Bonifaz mußte nur gestehen, daß er mit diesen
Räubern verhandelt hat, wie Sturm es uns erzählt hat, und
dann sagen, daß er nicht die Absicht hatte, Agion Pfadwächter oder einem seiner Ritter ein Haar zu krümmen. Die Anklage des Verrats würde bleiben, aber das Kapitalverbrechen Mord würde der Orden… übergehen. Aber auch ich
begreife nicht, warum Vertumnus seinem alten Feind zu
einem bequemen Exil irgendwo im Hinterland verhelfen
wollte.«
»Dann hör dir den Rest der Geschichte an«, sagte Sturm.
»Die nächsten Worte des grünen Mannes an Bonifaz waren nämlich eine Warnung: ›Du kannst wählen‹, sagte er
und hob im dunklen Saal seine Flöte. ›Wähle weise!‹
›Aber Verrat ist schlimmer‹, sagte Bonifaz, ›auch wenn
die Strafe nur Verbannung ist. Obwohl der Mörder am
Strick baumelt, ist Verrat viel schlimmer. Ich will nicht
mein Leben lang dafür bezahlen. Nein‹, sagte er mit erhobener Stimme, so daß jeder im Saal sein Geständnis hören
konnte. ›Ich werde dem Schwert treu bleiben und sterben,
wo ich gelebt habe, in den Armen des Maßstabs. Agion
Pfadwächter und seine Garnison sind tot, und ich habe sie
alle getötet und ihren Tod geplant. Vielleicht bin ich ein
Mörder, aber ich glaube, daß ich den Orden nie verraten
habe.‹«
»So ein Narr!« rief Raistlin aus. »Wo ihm schon die Freiheit winkte… das war doch regelrecht Selbstmord!«
»Oder etwas anderes«, sagte Sturm. »Denn ich kann beim
besten Willen nicht sagen, ob es Dummheit war oder das
edelste Ende, das er noch wählen konnte.
Jedenfalls stieg Bonifaz ruhig vom Podest herunter und
gestand allen Anwesenden seine Schuld am Tod von Agion
Pfadwächter. Fassungslos über das, was geschehen war,
starrte Gunthar den Herrn der Wildnis an, der finster zurückblickte. Er sagt, Vertumnus’ Augen wären ›dunkel und
unergründlich‹ gewesen, und er vermutet, daß Vertumnus
von seinen dasselbe gesagt hätte.«
Eine sehr lange Pause zeigte allen, daß die Geschichte zu
Ende war. Nach ein paar Minuten stand Otik auf und ging
wieder an seine Arbeit, während sich die drei Freunde über
den Tisch anstarrten.
Sie schwiegen andächtig, während Caramon seinem
Bruder sanft einen Mantel umlegte. Gemeinsam traten die
drei in die Nacht von Abanasinia hinaus, und am Morgen
konnten die ersten Passanten an den Spuren im frischen
Schnee erkennen, wo ihre Wege sich getrennt hatten.Aber
es gab noch etwas, das Gunthar dem Sohn seines alten
Freundes nicht erzählt hatte, noch etwas, das er lieber für
sich behalten hatte, weil er fürchtete, daß er – selbst wenn
er es nur Sturm verriet – ein echtes Geheimnis preisgab.
Denn die Ritter hatten Bonifaz feierlich zum Klang der
Flöte abgeführt. Zum Jahreswechsel wurde ein Galgen im
Hof aufgestellt, und nur wenige, die nicht im Ratssaal gewesen waren, wußten, daß Bonifaz Kronenhüter von Nebelhafen dort am ersten Frühlingstag gehenkt werden
würde. Wenige wußten es, doch seine Aussage vor dem
Orden sprach eindeutig gegen ihn, so daß er schließlich
trotzig in seiner glänzenden Rüstung von Solamnia die Stufen zum Galgen hinaufstieg.
Aber soweit war es in dieser Julnacht noch nicht, als Vertumnus eine Stunde, nachdem die Wachen Bonifaz abgeführt hatten, noch bei den Rittern herumsaß. Nachdem er
Dryaden, Zentauren, Druidin und Bär fortgeschickt hatte,
spielte der Herr der Wildnis seine Flöte ein letztes Mal vor
der Ritterschaft. Es war eine kurze, traurige Serenade, bei
der alle Ritter und Knappen und Pagen und Diener sitzen
blieben und gebannt lauschten, während der Herr der
Wildnis sie mit seiner Melodie tröstete.
Und aus jener Nacht gibt es einen Bericht über das, was
danach geschehen war. Angeblich begann Vertumnus
plötzlich mit einer Melodie, die so alt war, daß neue Bäume, von denen man seit dem Zeitalter der Träume nichts
mehr gehört hatte, die man nur aus den Liedern der Barden
kannte, aus dem Boden des Saals wuchsen, und die Ritter
erkannten sie, ohne fragen zu müssen, einfach durch einen
eigenartigen, wilden Impuls in der Musik.
Plötzlich erkannte Gunthar die Tonfolge und fing an zu
singen. »Aus dem Dorfe«, sang Gunthar, und gleich fiel
Fürst Alfred neben ihm ein, so daß ihre Stimmen ein unmusikalisches, aber kraftvolles Duett ergaben: »… aus den
armen, bedrängten Landen,
aus Grab und Acker, Acker
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