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Der Buick: Roman (German Edition)

Der Buick: Roman (German Edition)

Titel: Der Buick: Roman (German Edition)
Autoren: Stephen King
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schon, dass es eine Zusage ist, als ich’s aus dem Briefkasten genommen habe. Irgendwie wusste ich das einfach. Und da habe ich ihn wieder so vermisst. So richtig schlimm.«
    » Ich weiß, wie das ist«, sagte ich, wusste es aber natürlich nicht. Mein Vater war noch am Leben, war ein rüstiges, stets gut gelauntes Lästermaul von vierundsiebzig Jahren. Und meine Mutter war mit ihren siebzig Jahren auch noch mopsfidel.
    Ned seufzte und schaute zu den Hügeln hinüber. » Es ist einfach so dumm, wie er umgekommen ist«, sagte er. » Wenn ich mal Kinder habe, kann ich ihnen nicht mal erzählen, dass ihr Opa bei einer Schießerei gestorben ist, als er Bankräuber gestellt oder verhindert hat, dass die Miliz das Gerichtsgebäude in die Luft sprengt. Nichts in der Richtung.«
    » Nein«, pflichtete ich bei. » Nichts in der Richtung.«
    » Ich kann nicht mal erzählen, dass er achtlos war. Er hat einfach nur … Da kam einfach nur ein Besoffener vorbei und hat …«
    Er beugte sich vor und keuchte wie ein alter Mann mit Bauchkrämpfen. Jetzt legte ich ihm wenigstens eine Hand auf den Rücken. Er gab sich solche Mühe, nicht zu weinen, und das ging mir nah. Er gab sich solche Mühe, ein Mann zu sein, was auch immer das für einen achtzehnjährigen Jungen bedeuten mag.
    » Ned. Es ist schon gut.«
    Er schüttelte vehement den Kopf. » Wenn es einen Gott gäbe, dann hätte das irgendeinen Sinn gehabt«, sagte er und sah zu Boden. Meine Hand lag immer noch auf seinem Rücken, und ich spürte, wie sie sich hob und senkte, als hätte Ned gerade einen Wettlauf hinter sich. » Wenn es einen Gott gäbe, hätte das irgendeinen Grund gehabt. Aber es hatte keinen. Ich kann jedenfalls keinen entdecken.«
    » Wenn du mal Kinder hast, Ned, dann sag ihnen, dass ihr Großvater bei der Erfüllung seiner Pflicht gestorben ist. Komm mit ihnen her und zeig ihnen, dass sein Name auf unserer Gedenktafel steht.«
    Er schien mich nicht zu hören. » Ich habe da diesen Traum. Es ist ein ganz schrecklicher.« Er hielt inne, überlegte, wie er es sagen sollte, und erzählte dann einfach weiter. » Ich träume, dass das alles nur ein Traum war. Weißt du, was ich meine?«
    Ich nickte.
    » Ich wache weinend auf und schaue mich im Zimmer um, und die Sonne scheint. Die Vögel singen. Es ist Morgen. Ich rieche Kaffee von unten und denke: ›Ihm ist nichts passiert. O danke, lieber Gott, meinem Vater ist nichts passiert.‹ Ich höre ihn nicht reden oder so; ich weiß das nur einfach. Und ich denke, was für ein Blödsinn es war zu glauben, er wäre an einem Laster entlanggegangen, um den Fahrer auf loses Profil hinzuweisen, und dann hätte ihn irgendein Säufer über den Haufen gefahren. So ein Schwachsinn fällt einem doch bloß in einem blöden Traum ein, in dem einem alles so real vorkommt … Und dann schwinge ich die Beine aus dem Bett … manchmal sehe ich meine Fußknöchel noch in einem Lichtfleck … es fühlt sich sogar warm an … und dann erwache ich wirklich, und es ist dunkel, und obwohl ich mich in die Decke gehüllt habe, ist mir kalt, ich zittere vor Kälte, und da weiß ich dann, dass dieser Traum wirklich ein Traum war.«
    » Das ist schrecklich«, sagte ich und erinnerte mich daran, dass ich als Junge auch einmal so einen Traum gehabt hatte. Darin ging es um meinen Hund. Ich wollte Ned davon erzählen, ließ es dann aber bleiben. Ein Hund ist kein Vater.
    » Es wäre ja nicht so schlimm, wenn ich das jede Nacht träumen würde. Dann würde ich, glaube ich, auch im Schlaf schon wissen, dass es nicht nach Kaffee duftet und dass es nicht mal Morgen ist. Aber dann kommt der Traum nicht … und kommt wieder nicht, und wenn er dann schließlich kommt, lasse ich mich wieder davon reinlegen. Ich bin so froh und erleichtert, dass ich sogar überlege, was ich ihm Gutes tun könnte … ihm zum Beispiel den Golfschläger zu kaufen, den er sich zum Geburtstag gewünscht hat … und dann wache ich auf. Ich lasse mich immer wieder davon reinlegen.« Vielleicht lag es daran, dass er an den Geburtstag seines Vaters dachte, der in diesem Jahr nicht und auch sonst nie wieder gefeiert werden würde, dass ihm nun wieder die Tränen kamen. » Ich hasse es einfach, mich reinlegen zu lassen. Das ist wieder genauso wie damals, als mich Mr. Jones aus dem Geschichtsunterricht geholt hat, um es mir zu sagen – nur noch schlimmer. Denn ich bin allein, wenn ich im Dunkeln aufwache. Mr. Grenville – das ist der Vertrauenslehrer bei uns in der Schule – sagt,
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