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Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann

Titel: Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
Autoren: Martin Clauß
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Satz ab.
    „Machen wir kein Drama daraus. Guten Tag“, gab Katharina zurück, unverändert aufgebracht. Jetzt drückte sie die Klinke und schlüpfte hinaus. Der dumme Fremde, dessen Namen sie zu vergessen versuchte, lief ihr allerdings nach. Sie schlug ein paar Haken, und er machte jeden davon treuherzig mit, als spielten sie irgendein verrücktes Spiel.
    „Sie müssen mir gestatten, mich zu entschuldigen!“, rief er. „Vor allem aber dürfen Sie sich von mir nicht vertreiben lassen. Was immer Sie gerade getan haben – ich werde draußen warten, bis Sie damit fertig sind. Was haben Sie getan?“
    Vor der Eingangstür des Schlosses blieb sie stehen, ließ die Schultern sinken und sah ihn an. „Was soll ich mit Ihnen machen?“, sagte sie. „Warum lassen Sie mich nicht in Frieden?“
    „Ich lasse Sie ja in Frieden“, gab er zurück. Er hob die Hände, machte eine unbestimmte Geste. „Ich bitte Sie ja gerade darum, sich von mir in Frieden lassen zu … lassen. In Frieden gelassen zu werden, meine ich. Sich nicht daran zu stören, dass ich Sie gestört habe.“
    „Sie sind ein Poet“, bemerkte sie, und ihre Worte trieften vor Spott.
    „Nein.“ Er atmete aus, betrachtete sie. „Nein, aber so etwas ähnliches. Maler.“
    „Maler?“
    Er nickte, ein bisschen stolz, ein bisschen verunsichert, wie es schien.
    Katharina entspannte sich. Aus der Nähe und bei Licht betrachtet, machte er keinen unsympathischen Eindruck. Hatte die Mädchenhaftigkeit seines Gesichts sie eben noch an eines dieser verwöhnten, weichlichen Muttersöhnchen denken lassen, die sich einbildeten, dass jeder sie in den Arm nehmen und trösten würde, wenn sie zu flennen begannen, so entdeckte sie nun eine gewisse Bildung in diesen Zügen, eine gewisse Zurückhaltung, eine gewisse Empfindsamkeit.
    „Es tut ihm wirklich leid“, murmelte sie im Selbstgespräch und verschloss sich den Mund mit der Hand, als ihr bewusst wurde, dass sie es ausgesprochen hatte.
    „Unbedingt“, erwiderte er. „Mir tut alles leid, was bei unserer kurzen Bekanntschaft bisher zu Missverständnissen geführt hat. Überhaupt das einzige, was mir in Ihrem Zusammenhang nicht leid tut, ist, dass ich recht geistesgegenwärtig zur Seite gesprungen bin, als Sie mit den Kannen auf mich zu gepoltert kamen, oben, im ersten Stock, vor einer halben Stunde etwa.“
    Katharina stockte. Sie erinnerte sich nur vage daran, dass ihr jemand entgegengekommen war. Das Gespräch mit ihrem Mann hatte sie beschäftigt. Die Schuhe und Hosenfüße, die ihr Blick gestreift hatten, hatten also ihm gehört. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Dann war es nicht meine Kleidung, die Sie auf den Gedanken brachte, ich müsse zum Dienstpersonal gehören.“
    „Nun … nein, oder ja. Es war nicht in erster Linie Ihre Kleidung, das stimmt …“
    Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Also war es ihr rücksichtsloses Benehmen gewesen, das den Eindruck in ihm geformt hatte, die Tatsache, dass sie ihn beinahe angerempelt hätte, ihn nicht gegrüßt und nicht einmal eines Blickes gewürdigt hatte. Diese Erkenntnis verbesserte ihre Stimmung augenblicklich.
    „Darf ich dem Lächeln auf Ihren Lippen die Interpretation angedeihen lassen, die mein Innerstes mir vorschlägt?“, formulierte er. „Sie beginnen in Erwägung zu ziehen, mir nicht mehr böse zu sein, vorausgesetzt natürlich, dass ich keine weiteren Patzer begehe? – Äh, Sie sehen, ich bemühe mich nach Kräften, Poet zu sein, wenigstens für den Augenblick. Das liegt daran, dass ich keine Farbe und keine Leinwand zur Hand habe, um das zu tun, worin ich geschickter bin.“
    Auf Wunsch ihres Gatten trug Katharina einfache, farbenfrohe, mädchenhafte Kleidung – Gewänder, die ihrem Stand als verheiratete Frau und Baronin nicht gerecht wurden. Versuchte sie sich dagegen aufzulehnen, verlor Lorenz die Beherrschung, also unterwarf sie sich seiner Anordnung. Doch dass sie in diesem Punkt seit Jahren kuschte, bedeutete nicht, dass es sie nicht immer noch schmerzte. Äußerlich nicht seine Frau sein zu dürfen, quälte sie in zweifacher Hinsicht. Einmal, weil es ihr zeigte, dass er sie trotz ihrer Heirat nicht wirklich an seiner Seite akzeptierte. Zum anderen, weil die Leute in den Dörfern und selbst die Dienstboten sich über sie lustig machten. Deshalb hatte sie so gereizt reagiert, als Eugen von Degenhard sie für ein Dienstmädchen gehalten hatte. Im vollen Ornat einer Baronin, so hatte sie angenommen, wäre ihm das nicht
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