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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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Wunder.
    Aber vielleicht wollte er gerade das bezwecken, außerdem war nicht auszuschließen, dass er einem Kampfsportverein angehörte. Die jungen Türken trainierten in Kellern, um bei Angriffen von Glatzen, Russlanddeutschen oder Kosovo-Albanern ihr Revier verteidigen zu können.
    Sein Handy summte. Musste etwas Wichtiges sein, denn nach einem Blickwechsel mit seinen Kumpanen sagte er zu mir:
    »Vielleicht ein andermal, ich bin immer hier zu finden.«
    Von wegen ›Gebe funfehunnert‹! Auf einmal sprach er ganz normales Deutsch mit leichter Ruhrpottfärbung. Er legte mir einen Zettel auf den Beifahrersitz, grinste »Anruf genügt« und gab den Weg frei.
    Die Umleitung und das etwas einseitige Verkaufsgespräch mit dem Straßenhändler hatten mich mehr als eine halbe Stunde gekostet. Kallmeyer wartete, aber im Gegensatz zu dem jungen Türken hatte ich kein Mobiltelefon dabei.
    Der Vereinsvorsitzende Kallmeyer wohnte in einer
    ehemaligen Werksiedlung, flache Backsteinbauten mit grünen Fensterläden und roten Geranien. Ich stieg aus meinem Kombi und sog tief die Luft ein. Das Werk hatte vor Jahren zugemacht, aber immer noch roch es nach Maloche.
    Die dickliche Frau, die auf mein Klingeln hin öffnete, verströmte einen leichten Alkoholgeruch. Ich trat erst einmal einen Schritt zurück. Seitdem ich nicht mehr trinke, bin ich auf diesem Gebiet überempfindlich. Bevor ich außer meinem Namen noch etwas anderes sagen konnte, reichte sie mir einen Zettel.
    »Mein Mann ist schon vorgefahren. Herr Bodach kommt auch.«
    »Bodach?«
    »Der Kassenwart vom Verein.«
    »Ah ja.« Ich blickte auf den Zettel, der eine Adresse und eine Skizze enthielt. »Dieses Kreuz hier?«
    »Da können Sie parken. Sie sollen nämlich nicht direkt vors Haus fahren, sondern nur von außen beobachten.« Sie nickte zu meinem Wagen. »Wenn Sie sich nicht beeilen, Herr Mogge, sind auch die lahmsten Tauben zurück im Schlag.«
    Bis dahin hatte ich gedacht, dass Taubenzuchten ein eher geruhsames Steckenpferd sei. Jetzt wurde ich schon zum zweiten Mal aufgefordert, mich zu beeilen.
    Laflörs Haus lag etwas außerhalb von Walsum, wo die Gegend schon wieder ländlich ist, mit Feldern, Bäumen und Büschen, mit Radfahrern, Kindern, Hunden und Schwänen. Ja, tatsächlich paddelte ein Schwanenpaar mit Jungen zwischen den Buhnen nahe der Fähre, die zwischen Walsum und Orsoy pendelt. Kamine ragten in den bleigrauen Himmel,
    Hochspannungsleitungen überwölbten Wiesen und Bäume.
    In der Nähe der Anlegestelle der Rheinfähre gab es den Walsumer Hof, ein altes, sehr gutes Fischlokal mit eigener Räucherei, das von Leuten, die auf Brimborium verzichten konnten, gern besucht wurde. Ich ließ die Gaststätte links liegen, überquerte den Nordhafen Walsum in Richtung Naturschutzgebiet Rheinaue und gelangte zu dem Grundstück des Taubenfreundes.
    Bei den Büschen, die auf der Skizze vermerkt waren, hielt ich meinen Kombi an, wenige Meter neben einem anderen Wagen, der Kallmeyer gehören musste.
    Durch die Äste vor meiner Windschutzscheibe konnte ich das Haus sehen, einen Neubau mit Flachdach und frei stehendem Taubenhaus. In einem der Fenster des Wohnhauses bewegte sich die Gardine. Genaueres konnte ich nicht erkennen, die Entfernung war zu groß.
    Ich nahm meine Kamera aus dem Handschuhfach, ließ den Bajonettverschluss des Großwildobjektivs einrasten und holte mir das Ziel heran. Da ich Kallmeyer verpasst hatte, war mir nicht ganz klar, wie ich mich verhalten sollte. Ein paar Aufnahmen konnten nie schaden; besonders dann nicht, wenn es später um den Nachweis ging, dass ich überhaupt zur Stelle gewesen war.
    Das Haus hatte ich nun gut im Visier. Das Gesicht hinter der Gardine gehörte einer jungen, blonden Frau. Auch die Taube auf dem Dach kam schön ins Bild. Nur den Vorplatz des Hauses konnte ich nicht einsehen, eine Hecke versperrte die Sicht.
    Meine Kamera klickte. Die Taube hob vom Dach ab und drehte eine Runde. Sonst tat sich nichts. Leises Rascheln in den Büschen, vom Rhein drang eine Schiffssirene an mein Ohr und das feine einschläfernde Rumpeln und Kollern der letzten noch verbliebenen Industrieanlagen. Niederrhein-Idylle.
    Als ich meine Kamera auf den Beifahrersitz legte, hörte ich Stimmen. Nicht besonders laut, zwei Männer sprachen im Plauderton, wie Nachbarn sich so über den Gartenzaun hinweg unterhalten.
    Dann krachte ein Schuss. Und irgendwo nicht weit von mir regneten Schrotkugeln ins Laub.
    2.
    Es war kein schöner Anblick. So viel war
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