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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund
Autoren: Raul Zelik
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Missverständnisse und Zuordnungen vermeiden, heute besser nicht zu häufig erwähnt, verbindet mich zwar nicht mehr die gleiche Beziehung wie vor zwanzig Jahren, aber vieles an der Gegend schätze ich immer noch sehr. Die Landschaft zum Beispiel, das Aufeinandertreffen von Bergen und Meer, aber auch die Bereitschaft vieler ihrer Bewohner, nicht alles so hinzunehmen, wie es ist. Haberkamm hat, was mich überraschte, sofort zugestimmt. »Schön. Dann gehen wir ins Guggenheim-Museum, wenn ich Sie besuchen komme.« Ich hatte gedacht, eine richtige Großstadt wäre ihm lieber. Der Großraum von X hat nur deshalb eine Million Einwohner, weil unzählige in den achtziger Jahren heruntergekommene und mittlerweile aufwändig sanierte ehemalige Industriequartiere mitgezählt werden. Vielleicht hat Haberkamm aber auch nur darauf spekuliert, dass eine Untersuchung von der provinziellen Peripherie her umso reizvoller sein könnte. Letztlich ist jede Integration nur so gut wie ihre Effekte an den Rändern.
    Womit auch Rabbee wieder einverstanden sein dürfte.
     
    Nachdem ich Haberkamm zugesagt hatte, rief ich Katharina an.
    »Ich habe einen Job, aber nicht in Berlin.«
    Schweigen.
    »Ich würde Hanna auch mitnehmen.«
    Ein Moment des Zögerns. »Wie großzügig von dir.«
    »Ich nehme sie mit, und du hast ein paar Monate deine Ruhe.«
    »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«
    Natürlich war ich froh, dass Katharina das Angebot abgelehnt hat. Mir war schleierhaft, wie ich mit einem vierjährigen Mädchen in einer fremden Stadt hätte Fuß fassen sollen. Zu Hause haben wir einen Kinderladenplatz und zwei oder drei Freunde, die gelegentlich auf Hanna aufpassen. In X wäre ich mit der Kleinen allein gewesen. Wir haben uns also darauf geeinigt, dass Hanna das halbe Jahr bei Katharina bleibt und ich zwischendrin ein paar Mal nach Hause fliege.
    Geeinigt.
    »Ist mir schon klar, dass du dann was bei mir gut hast.«
    »Schön, dass du die Zeit mit deiner Tochter vor allem als Belastung empfindest.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Was hatte ich dann gesagt?
    »Ich denke nur an den Stress, der auf dich zukommt. Dafür nimmst du dir danach auch ein paar Monate frei.«
    Als wäre das so leicht: sechs Monate zu mir, sechs Monate zu ihr.
    »Okay.«
    Ich glaube, Katharina hat es aufgegeben, mit mir zu diskutieren. Zumal ich in diesem Fall wirklich ein gutes Argument hatte. »Es ist ja nicht so, dass ich mir die Jobs aussuchen könnte.«
     
    Die Schotterpiste knirscht leise, als wir am nächsten Tag auf die alte Mühle von Katharinas Vater zurollen, in der er seit bald zehn Jahren wohnt. Eine Staubwolke hüllt uns ein. Der aufgewirbelte, feine Sand legt sich langsam und ich kann Hanna und Armin sehen, Katharinas Vater.
    »Hallo, Tiger«, rufe ich meiner Tochter zu, sie rennt uns entgegen. Erleichtert nehme ich sie in den Arm, sie hat mich nicht vergessen. Hanna küsst erst mich und dann – was mich überrascht – Rabbee, der ihr lächelnd über die Haare streicht.
    Familienidylle, allerdings nur auf den ersten Blick. Katharina hat nicht auf uns gewartet, sondern ist, um uns nicht zu begegnen, am Morgen nach Portugal aufgebrochen.
    Ursprünglich wollte ich Hanna abholen und mit Rabbee und ihr zehn Tage, nicht weit entfernt von hier, an der Küste verbringen, aber Katharinas Vater schlug vor, wir sollten bei ihm in der Mühle bleiben, das wäre doch viel netter. »Du kannst auch gern deinen neuen Freund mitbringen.«
    Meinen neuen Freund. Armin legt Wert darauf, dass sowohl Trennungen als auch schwule Beziehungen zum ganz normalen Leben gehören – auch wenn es dabei um das ganz normale Leben der eigenen Tochter geht. Armin gehört einer Generation an, von deren Aktivismus immerhin ein Mindestmaß an liberaler Gesinnung übrig geblieben ist.
    Ob Katharina das genauso sieht, kann ich nicht beurteilen. Seit wir uns getrennt haben, geht sie mir aus dem Weg.
    Armin fragt, wie die Fahrt war. Rabbee antwortet, dass die Nationalstraße von Algeciras nach Málaga eine Katastrophe sei. »An den Auffahrten muss man aus dem Stand beschleunigen.«
    Armin nickt und behauptet, dass es auf der N-340 zwischen Algeciras und Málaga die meisten Unfälle in ganz Andalusien gebe.
    Die beiden unterhalten sich über die Todesrate auf spanischen Straßen und wenden sich, als die Frage erschöpfend behandelt scheint, dem nächsten unvermeidlichen Thema zu: Marbella. Die beiden sind sich schnell einig, dass die Stadt eine Agglomeration der Geschmacklosigkeit
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