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Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)

Titel: Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Autoren: Marina Heib
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gelaufen sein.
Sieht nicht sehr ergiebig aus. Und dann noch der Regen. Naja, wir werden
sehen.«
    Sorgfältig trocknete und verstaute Eberhard seine Kameras. Karen
packte ihr Diktiergerät weg, zog ihre Handschuhe aus, stopfte sie in einen
Plastikbeutel und legte alles in ihr Köfferchen. Volker gab die Asservatenliste,
die er auf Vollständigkeit und Systematik geprüft hatte, an Philipp zurück.
Dann kamen auch Karen und Volker zu Christian.
    Alle vier standen stumm vor der Leiche des Jungen, aufgereiht wie
ein Chor, bereit, die letzte Hymne zu singen, bis Volker leise, fast andächtig
aussprach, was alle beschäftigte: »Es sieht schön aus. Sehr ästhetisch.«
    Christian löste sich von dem Anblick und wandte sich an die
Saarländer: »Was ist das für ein Felsen hier? Was sind das für eingemeißelte
Figuren?«
    Philipp blickte fragend zu seinen Beamten. Der Fahrer, der Christian
und seine Leute hergebracht hatte, wußte als einziger etwas zu sagen: »So was
Vorsintflutliches. Ist uralt. Wird Hänsel und Gretel genannt.«
    In diesem Moment krachte lautstark die Plane von einem der Halterungsstäbe,
mehrere Liter angesammeltes Regenwasser ergossen sich in einem klatschenden
Schwall über die Leiche, gleichzeitig riß der Himmel auf, und ein Sonnenstrahl
brachte die Wassertropfen auf dem wachsweißen Kindergesicht zum Glitzern. Über
dem Tal stieg ein Regenbogen empor.
    Am Nachmittag des gleichen Freitags fuhr Anna Maybach mit
ihrem alten Saab-Cabrio knirschend die Kiesauffahrt hinauf zum herrschaftlichen
Elternhaus in der Hamburger Elbchaussee, vorbei an den akkurat gestutzten
Buchsbäumchen, den prächtig blühenden Rhododendren, bis direkt vor die fünf
Steinstufen, die zur Haustür führten. Anna ließ den Kies beim schwungvollen
Einparken ein wenig aufspritzen, so daß einzelne Steinchen gegen die kunstreich
vergitterten Kellerfenster schepperten. Sie stieg aus, knallte die Tür zu. Eine
Amsel sang unbeeindruckt von diesem wenig friedlichen Auftritt weiter vor sich
hin. Manchmal beschlich Anna im Garten ihrer Eltern der Verdacht, daß ihre
Mutter sogar die Vögel selektierte, nach Stammbaum und klassischer Ausbildung.
Diebische Elstern und unmelodisch krächzende Krähen bekamen schlicht keine
Aufenthaltsgenehmigung.
    Anna klingelte an der Haustür. Ihr allmonatlicher Besuch. Der Gong
spielte die ersten vier Töne von Beethovens Fünfter: So pocht das Schicksal an
die Pforte. Anna verzog das Gesicht, als sie das aufgeregte Getrippel ihrer
Mutter auf dem Marmor der Eingangshalle hörte. Die Tür ging auf, und ein
prüfender Blick musterte Anna blitzschnell von Kopf bis Fuß. Offensichtlich war
Evelyn Maybach mit dem Erscheinungsbild ihrer Tochter zufrieden, denn sie
umarmte Anna: »Wie schön, daß du da bist, wenn auch verspätet. Gut siehst du
aus. Komm doch rein. Papa wartet schon.«
    Anna folgte ihrer Mutter in den Salon, in dem die Schritte durch
Teppiche aus Isfahan und Islamabad gedämpft wurden. Die pastellfarbenen
Vorhänge waren geschlossen, so daß das Sonnenlicht weder die Teppiche noch die
ebenfalls pastellfarbene Seidentapete ausbleichen konnte. Evelyn sah sich
irritiert um: »Wo ist Walter denn plötzlich? Eben war er noch …«
    Anna unterbrach ihre Mutter geringschätzig: »Als ich geklingelt
habe, hat er sich in die Bibliothek zurückgezogen, um mich für meine …«, Anna
blickte kurz auf ihre Armbanduhr, »… zehnminütige Verspätung zu bestrafen. Die
du im übrigen auch nicht unkommentiert lassen konntest.«
    Evelyn warf ihrer Tochter einen bittenden Blick zu: »Jetzt sei doch
nicht so. Ich hole ihn.«
    Während Evelyn zur Bibliothek trippelte, ließ Anna sich auf einem
Stuhl nieder. Der Kaffeetisch war üppig gedeckt. Anna nahm ihren Seidenschal
vom Hals und band sich damit die langen dunklen Haare hoch. Ihr Vater mochte
es, wenn sie die Haare offen trug. Sie sah auf den Tisch: Sahnetorte für den
leptosomen Vater, trockener Nußkuchen für sie und ihre etwas zu füllige Mutter – um der schlanken Linie willen war Sahne für Frauen im Maybachschen Haushalt
ein Zeichen primitivster Disziplinlosigkeit. Anna schaufelte sich ein Stück
Sahnetorte auf den Teller. Als ihr Vater eintrat, ein attraktiver,
großgewachsener Endsechziger mit wilden grauen Haarbüscheln über der hohen
Stirn und einer markanten Nase, erhob sie sich nicht.
    »Hallo, Walter«, sagte sie so beiläufig wie möglich.
    »Bleib ruhig sitzen«, erwiderte ihr Vater mit leichtem Grinsen. Er
blickte auf die Sahnetorte:
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