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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System
Autoren: David Foster Wallace
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sagte Mindy ohne Nachdruck, sie ist ganz entspannt, fast schon eingeschlafen. Ihre Beine sind wie modelliert, man ahnt die Muskeln unter der glatten Haut, die tatsächlich so glatt ist, dass sie glänzt, was daran liegt, dass sie sich neulich die Beine »hat wachsen lassen«, wie sie Lenore verraten hat, was immer das jetzt heißt.
    »Passiert das oft?«
    »Was passiert oft?«
    »Na, Vergewaltigungen und Überfälle und so.«
    Clarice und Sue schauen weg, sie sind ganz ruhig. »Ab und zu sicher, keine Ahnung, weil ja meistens alles vertuscht wird und keine Anzeige erstattet wird, weil das College auch nicht daran interessiert ist, dass...«
    »Von wie vielen Vergewaltigungen weißt du, du persönlich?«
    »Keine Ahnung. Lass es mal zehn sein ... zehn Frauen ungefähr.«
    »Zehn? «
    »...«
    »Und wie viele Frauen kennst du insgesamt hier?«
    »Lenore, ich weiß es doch auch nicht«, sagte Clarice. »Es ist nicht so ... ich meine, man gewöhnt sich daran, man stellt sich darauf ein. Man geht zum Beispiel nachts nicht durch den Park, man...«
    »Nee, in puncto Sicherheit ist das wirklich gut hier«, sagt Sue Shaw. »Abends haben sie diesen Fahrdienst, der dich wirklich überall hinbringt, wenn es weiter weg ist. Und jede Stunde geht ein Shuttlebus von der Bibliothek und dem Laborgebäude bis hier zum Studentenwohnheim, und es ist sogar ein bewaffneter Wachmann dabei, der dich bis an die...«
    » Ein bewaffneter Wachmann? «
    »Ein paar von denen sehen richtig gut aus«, sagt Clarice augenzwinkernd in Lenores Richtung.
    »Aber an Weihnachten hast du nichts davon erzählt, Clarice, von bewaffneten Wachmännern und so. Wie hältst du das aus? Ich meine, zu Hause...«
    »Weißt du, Lenore, es ist doch überall mehr oder weniger dasselbe«, sagt Clarice. »Echt. Man gewöhnt sich daran. Wenn man ein bisschen aufpasst.«
    »Trotzdem.«
    »Um nochmal auf die Fete zurückzukommen«, sagt Mindy Metalman, die damit ziemlich offensichtlich das Thema wechseln will. Der von unten kommende Lärm ist nämlich noch immer sehr laut.
    Jedenfalls ist an diesem Abend im Wohnheim Party angesagt, sogar eine coole Band tritt auf, Spiro Agnew and the Armpits, mit Abtanzen und Jungs und Bier, Letzteres aber nur mit Ausweis. Also es soll richtig was werden, und schon beim Abendessen unten waren Leute damit beschäftigt, Kunststoffpalmen aufzustellen und Blumengirlanden aufzuhängen, und ein paar von den Mädchen trugen bereits Plastik-Baströckchen, denn das Thema des Abends war Hawaii, wie man auch dem Transparent vor Rumpus Hall entnehmen konnte, ein Kussmund und dahinter das Wort Comeonawannaleiya, echt witzig und clever, denn es bedeutete, dass die Jungs von den anderen Schulen, wenn sie ihren Ausweis zeigten, gleich mit einem Lei begrüßt wurden, ha. Wie Lenore nach dem Abendessen festgestellt hatte, war der ganze Raum voller Leis.
    »Was ist damit?«, sagt Clarice.
    »Ich sage ja nur.«
    »Tut dir keinen Zwang an.«
    »Also ich gehe nicht mit«, sagt Sue Shaw. »Nie wieder, ehrlich. Ich bleibe dabei, auf keinen Fall. Pas moi. «
    Clarice lacht und greift nach dem Jetsons-Becher.
    »Der Punkt ist doch der«, sagt Mindy vom Bett aus, und das Sweatshirt ist ihr so weit über die Schulter gerutscht, dass es bald ganz abfällt. »Der Kern von dem Punkt ist doch... das viele Essen da unten, es lacht einen so an unter den Plastikpalmen, und außerdem haben wir dafür bezahlt.«
    »Das ist wahr«, seufzt Clarice und drückt den Startknopf des Plattenspielers. Ihre Augen sind so blau, dass sie Lenore glühend heiß vorkommen.
    »Alles, was wir im Kühlschrank haben, ist dieses unheimlich schmackhafte Fertig-Kartoffelpü«, sagt Mindy, was leider zutrifft, eine Tupperdose mit versalzenem Kartoffelpü mit besten Empfehlungen der chemischen Industrie, mehr konnten sie beim Abendessen nicht klauen, nachdem in der Küche erst die Plätzchen ausgegangen waren und dann sogar das Brot...
    »Aber ihr habt doch gesagt, ihr wolltet auf keinen Fall hin«, sagte Lenore. »Wisst ihr noch, wie ihr mir erzählt habt, wie furchtbar diese Semesterfeten sind, die reinste Fleischbeschau, und wie man da schnell unter die Räder kommt, das waren eure Worte, und dass man deshalb am besten gar nicht hingeht, und für mich wäre das erst recht nichts und...« Sie schaut in die Runde, denn sie will unbedingt hin, sie tanzt für ihr Leben gern, und sie hat auch das Kleid dafür, das neue, irre von Tempo in East Corinth, wie gemacht für einen Abend wie...
    »Siehst du,
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