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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman
Autoren: Andrea Schacht
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aller Hindernisse würde es einen gemeinsamen Weg für sie geben. Irgendwie. Er fühlte sich losgelöst und frei von allen irdischen Banden.
    Mit beinahe zweihundert Stundenkilometern prallte er an den Brückenpfeiler.
    Julian Kaiser, bekannt als der Schlagersänger Caesar King, war auf der Stelle tot.

3. Kapitel
 
 Das Stundenbuch
    »Meine Mutter kennt Gott und die Welt und Tod und Teufel und noch einige andere mehr. Unter anderem diesen hervorragenden Chirurgen«, hatte Rose, meine Halbschwester, zu mir gesagt.
    Darum hatte ich vor Weihnachten Kontakt mit Dr. Carl German aufgenommen, der sich meines Problems mit großer Fachkenntnis annahm. Er war mir zudem sympathisch, was ich nicht von allen Ärzten behaupten konnte, denen ich jüngst begegnet war. Und das waren nicht wenige. Jetzt saß ich also in dem Büro von Dr. Carl German und unterhielt mich mit ihm und einer weiteren Ärztin über die in fünf Tagen anstehende Operation.
    Meine tiefen Brand- und Schnittverletzungen waren die Folge eines entsetzlichen Flugzeugunglücks auf den Kanaren. Vor einem halben Jahr hatte ich miterleben müssen, wie der Flieger, der meine Freunde und mich nach Rom bringen sollte, vor meinen Augen explodierte. Ich hatte nicht in der Maschine gesessen, weil mich kurz vor dem Abflug ein Anruf meiner Mutter Uschi erreicht hatte, der mich davon in Kenntnis setzte, dass mein Vater in der Nacht tödlich verunglückt war. Ich hatte auf einen Flug nach Köln umgebucht, der jedoch erst am nächsten Morgen abgehen sollte. Als ich vor dem Flughafenhotel stand, war das Entsetzliche passiert. Direkt nach dem Abheben gab es eine gewaltige Detonation. Flugzeugtrümmer schlugen wie Bomben im weiten Umkreis ein. Und auch mich traf glühendes Metall.
    Die Spuren sollten jetzt beseitigt werden. Ich hatte einen Schnitt im Gesicht, er zog sich von der Stirn über das Auge bis zur Oberlippe. Die Wunde war sehr gut verheilt, und eigentlich war die Narbe jetzt nur noch ein schmaler Strich, den ich mit einem guten Make-up durchaus verdecken konnte. Die Wunde vom Schlüsselbein über die Brust bis zum Bauch war schlimmer gewesen, eine Brandwunde, die länger brauchte, um zu heilen. Die erste Hauttransplantation war schon in einem sehr frühen Stadium vorgenommen worden. Ich wusste also in etwa, was mir jetzt blühte. Mein linker Arm war nämlich am stärksten betroffen, und hier würde nun die nächste Operation hoffentlich dazu führen, dass ich zukünftig auch wieder kurzärmlige Kleider tragen konnte.
    Dr. German erklärte mir sehr ausführlich, was er zu tun gedachte, und ich hatte den Eindruck, dass er wirklich so kompetent war, wie Sophia, Roses Mutter, behauptet hatte.
    »Wir werden, wenn dieser Eingriff überstanden ist, dann auch noch einen Termin vereinbaren, um uns Ihrem Gesicht zu widmen!«, sagte die Ärztin, eine resolute Frau Anfang Vierzig.
    »Nein, das werden wir nicht!«, antwortete ich mit einer plötzlichen Heftigkeit, die mich selbst überraschte.
    »Aber Frau Kaiser! Sie wollen doch nicht Ihr Leben mit dieser Narbe verbringen. Es gibt fantastische Möglichkeiten...«
    »Mag sein, dass es sie gibt, aber ich ziehe es vor, diese Erinnerung an ein Ereignis zu behalten, das mein Leben nachhaltig verändert hat.«
    Sie wirkte richtiggehend empört, die Frau Doktor. Als hätte ich ihre persönliche Ehre angegriffen. Mit beredtschilderte sie mir die herausragenden Erfolge der kosmetischen Chirurgie, aber als sie geendet hatte, meinte Dr. German trocken: »Liebe Kollegin, es ist die Entscheidung der Patientin. Ganz abgesehen davon, werden wir einen Schritt nach dem anderen gehen und uns zunächst um den Arm kümmern.«
    Etwas verschnupft zuckte die Ärztin mit den Schultern und legte mir ein paar Formblätter vor, die ich vor der Operation auszufüllen hatte. Dann verließ sie uns mit der Entschuldigung, noch weitere Termine wahrnehmen zu müssen. Ich blieb mit Dr. German allein.
    Er wirkte für einen Arzt seines Rufes und seiner Qualifikation noch sehr jung, auch wenn er etwas untersetzt gebaut war. Seine Haare standen wie ein wirres Büschel Stroh von seinem Kopf ab, da er sich im Eifer der Erklärungen einige Male mit der Hand hindurchgefahren war. Er hatte ein offenes und freundliches Gesicht, ohne besonders gut auszusehen. Aber er flößte mir auf seine Art Vertrauen ein. Jetzt lächelte er mir zu und meinte: »Die Frau Kollegin hat es gut gemeint. Aber sie prescht manchmal ein wenig zu schnell vor. Ich kann verstehen, dass Sie erst
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