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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman
Autoren: Andrea Schacht
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ihre Wanderung durch die Unendlichkeit, ohne Angst, wissend, dass sie sie finden würde – die Regenbogenbrücke, die sich über dem Abgrund zwischen den Welten spannte und über die sie in die Anderwelt gelangen würde. Mutig überschritt sie den farbigen, leuchtenden Bogen und erreichte die freundlichen Länder am anderen Ufer. Sie wandelte unter blühenden Apfelbäumen, entlang an silberhellen Bächen und schilfbestandenen Seen, sie begegnete den Ahnen und den Helden der Vergangenheit, aber auch anderen, manchmal Furcht erregenden, manchmal sie anwidernden Gestalten. Sie wandelte lange und vergaß Wehmut, Schmerzen und Trauer. Sie verlor nach und nach ihre Erinnerungen an das Leben auf Erden. Bis auf eine. Das tiefste Gefühl, das sie empfunden hatte, war bei ihr geblieben – ihre Liebe vergaß sie nie, und die Sehnsucht blieb immer bei ihr.
    Als sie der Wanderungen müde geworden war, suchte sie den Kessel der Wiedergeburt auf und entschloss sich, darin zu baden...
     
    Und im Jahre des Herrn 1470 wurde in der Colonia, jetzt das »Heilige Köln« genannt, ein Kind der Schande geboren. Ein Mädchen mit rabenschwarzem Haar...
    Ihre Mutter nannte es Anna.

2. Kapitel
 
 Der Unfall
    Der Sommerabend war angenehm kühl geworden, und die Sonne warf lange Schatten über das bergige Land. Nicht mehr lange, und sie würde hinter den Baumwipfeln versinken. Die Autobahn war noch belebt, der Fernverkehr kannte keinen Feierabend. Mühsam quälte sich eine Schlange von Schwertransportern den langen Anstieg empor. Der Mann am Steuer des Sportwagens setzte zum Überholen an und beschleunigte. Einen Lkw nach dem anderen ließ er hinter sich. Doch mit seinen Gedanken war er ganz woanders, und viel zu spät erst bemerkte er den Kleinwagen vor sich, der sich kaum schneller als die schweren Transporter bewegte. Mit einer Vollbremsung konnte er gerade noch einen Unfall verhindern.
    Entsetzt über sein Verhalten ordnete er sich auf der rechten Spur ein. Lähmende Müdigkeit war die Ursache seiner Achtlosigkeit – unnatürliche und fast an Benommenheit grenzende Müdigkeit.
    Eine Tankstelle mit einem Rastplatz tauchte vor ihm auf, und er beschloss, dort anzuhalten und einen Kaffee zu trinken. Zu seiner Verabredung kam er nun sowieso schon zu spät, denn genau diese Schwere, diese unheimliche Unkonzentriertheit, hatte ihn schon die richtige Ausfahrt verpassen lassen. Er fuhr in eine freie Parklücke und stellte den Motor ab. Seufzend lehnte er den Kopf zurück. Er würde eine Pause machen und einfach die Erinnerung an die wundervollen Stunden auskosten,die er noch vor kurzem in den Armen seiner Geliebten verbracht hatte. Mit einem Gähnen schloss er die Augen und war sofort eingeschlafen.
    Er erwachte in der Dunkelheit. Träge schlug er die Lider auf und musste eine Weile intensiv darüber nachsinnen, warum er um vier Uhr morgens in seinem Wagen an einer Autobahnraststätte saß. Ihm war kalt geworden, und mit steifen, bleischweren Gliedern wand er sich aus dem Fahrzeug. Geisterhaft huschten die Scheinwerfer der wenigen vorbeifahrenden Autos über den asphaltierten Platz, doch das Gebäude neben der Tankstelle war noch hell beleuchtet. Er streckte sich, atmete die kühle Morgenluft ein und rieb sich die Augen. Die Benommenheit war trotz der acht Stunden Schlaf nicht von ihm gewichen. Er würde noch an diesem Tag seinen Arzt aufsuchen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Aber jetzt würde er erst einmal einen Kaffee trinken. Vielleicht munterte der ihn ja auf.
    Eine übermüdete Kellnerin stellte eine große Tasse bitterschwarzen Kaffee vor ihn hin. Aber er trank ihn und bestellte sich sogar noch einen zweiten. Dann suchte er die Waschräume auf und befeuchtete sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Ein wenig munterer kehrte er zu seinem Fahrzeug zurück. Um den üblen, säuerlichen Geschmack auf seiner Zunge zu vertreiben, steckte er sich gleich drei der Pfefferminzbonbons in den Mund, die er immer bei sich hatte. Er startete den Wagen, legte eine CD ein und rollte auf die Autobahnauffahrt, um nach Hause zu fahren.
    Der Himmel wurde allmählich hell, schon glühten die zarten Federwolken, die über den Bergen hingen, in rosigen Farben auf. Die Strecke war jetzt beinahe frei, und er erhöhte die Geschwindigkeit. Die Musik und der prachtvolle Sonnenaufgang, der sich jetzt vor ihmentfaltete, versetzten ihn in eine beinahe rauschhafte Stimmung. Er dachte voll süßer Sehnsucht an die Frau, die ihm endlich ihre Liebe geschenkt hatte. Trotz
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