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Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Titel: Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
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zu hören, wo er lebt, was er macht."
    „Ich dachte, du hättest als Kind von ihm nicht viel gesehen, als du noch in Amerika warst. Du hast praktisch nie von ihm erzählt. Es war so, als hättest du ihn aus deinem Leben verbannt."
    „Nein."
    Chloe beließ es bei dieser knappen Erwiderung. Sie war für ihren Vater die wilde Prinzessin gewesen. Zusammen hatten sie Vogelhäuschen und Baumhäuser gebaut, waren Rad gefahren und gemeinsam angeln gegangen. Als sie zehn gewesen war, hatten sie sogar den Sommer in einem Angler-Camp an einem See irgendwo in Louisiana verbracht. Manchmal, wenn von den
    Bergen her ein eisiger Wind wehte oder wenn der Himmel silbrig weiß in der Hitze flirrte und kein Tropfen Regen fallen wollte, hatte sie von diesen Sommertagen am kühlen, kristallklaren Wasser geträumt. In ihren Träumen sehnte sie sich nach der Luft von Louisiana, die so warm und sanft wie Seide war, nach dem kleinen Urwald aus Bäumen, die so grün waren, dass sie die Welt in ein smaragdfarbenes Licht tauchten, nach dem trägen Dahinplätschern jener Tage, die voller Frieden und Sicherheit gewesen waren. Wenn sie dann aufwachte, fühlte sie sich desorientiert und völlig fehl am Platz. Sie war voller Erinnerungen an ihren Dad. Sie dachte daran, wie er immer wieder gesagt hatte, wie hübsch sie sei, bis sie es ihm glaubte, ganz gleich, ob es stimmte oder nicht. Wie könnte sie je ihren Dad vergessen?
    „Es tut mir Leid", sagte Treena leise.
    Chloe sah fort, damit niemand die Tränen in ihren Augen sehen konnte. „Ich habe mich oft gefragt, ob meine Briefe überhaupt jemals meinen Vater erreicht haben. Ob das vielleicht der Grund war, dass ich nie von ihm gehört habe? Wenn meine Briefe nicht angekommen sind, dann hatte er ja keine Adresse, an die er schreiben konnte!"
    Ihre Stiefschwester erwiderte nichts, sondern kniete sich hin, wischte der Jüngsten den Staub von den Beinen und Füßen ab und murmelte dabei mit sanftem Ton etwas eigentlich Sinnloses, damit die Kleine während des Rituals abgelenkt war. Etwas an der versteiften Haltung ließ Chloe aufmerksam werden.
    „Treena?"
    „Alles ist möglich."
    Chloe zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen, während sie Ahmads Schwester beobachtete, die das Kind liebevoll auf ein Lager in der Ecke des Schlafzimmers legte, das sie sich mit Ismael teilte. „Willst du damit sagen", fragte sie beherrscht, „dass sie vielleicht abgefangen wurden?"
    Treena sah sie aus dem Augenwinkel an. „Ach, Chloe, musst du die Dinge immer so beim Namen nennen?"
    „Nicht immer." Wenn sie Antworten haben wollte, musste sie sich auf das orientalische Spiel von Anspielungen und Mutmaßungen einlassen, das es dem Redenden erlaubte, Dinge mitzuteilen und dabei doch so vage zu bleiben, dass niemand die Möglichkeit bekam, ihm Verrat vorzuwerfen. „Könnte es einen Grund dafür geben, dass jemand diesen Kontakt unterbinden will?"
    „Ich kann mir keinen Grund vorstellen."
    Chloe ebenfalls nicht, abgesehen natürlich von purer Gehässigkeit. Die einzige Person, der sie so etwas zutraute, lebte mit ihr im selben Haus. „Es wäre kein großes Problem gewesen, wenn jemand die Aufgabe hatte, diese Briefe zur Post zu bringen."
    „Stimmt."
    Da so etwas als eine Aufgabe für Männer angesehen wurde, war es nur natürlich, dass der Herr des Hauses sie auch erledigte. Es schmerzte und es machte sie rasend, dass Ahmad das ausgenutzt haben könnte, um sich so massiv in ihr Leben einzumischen. „Ich könnte ihn umbringen", flüsterte sie.
    Treena schüttelte den Kopf. „Vielleicht hat er gedacht, es wäre zu deinem Besten."
    „Du machst wohl Witze."
    „So viel Zorn. Du darfst dich nicht so wie Ahmad von deinem Zorn zerfressen lassen, Chloe. Es genügt, wenn einer in unserer Familie das zulässt."
    Sie lachte kurz auf. „Welchen Grund soll er haben, zornig zu sein? Er gewinnt doch immer."
    „Nach dem Tod unserer Mutter hat unser Vater uns bei unseren Großeltern gelassen. Er ließ uns im Stich und flog in dieses ferne magische Land namens Amerika. Die Eltern unserer Mutter haben ihr Bestes gegeben, aber sie waren nicht mehr jung, und sie hatten in vielen Dingen überholte Ansichten. Vor allem unser Großvater war ein Anhänger der alten Zeit und der alten Gesetze. Er verabscheute moderne Maschinen und moderne Denkweisen, und besonders die der Amerikaner, weil sie die modernsten von allen waren. Er hat meinen Bruder über die Grenze geschickt, damit er von den Mullahs in Kabul erzogen wurde. Als Ahmad
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