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Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Titel: Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
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Schuld. Ich habe bei seiner Erziehung so viele Fehler gemacht."
    „Du konntest es doch nicht wissen", sagte Chloes Mutter leise und mitfühlend.
    „Nein, aber er gibt mir trotzdem die Schuld daran. Es tut mir Leid, wenn sich davon jetzt auch noch etwas auf euch überträgt."
    Sie zog ihn an sich und legte ihren Kopf auf seine Schulter. „Das macht nichts, ich werde es überleben."
    Das stimmte so nicht. Es machte sehr wohl etwas. Und entgegen ihrem eigenen Optimismus sollte sie es nicht überleben.
    Ahmad war sieben oder acht Jahre älter als Chloe, hatte gerade die Universität abgeschlossen und hielt sich für einen reifen, erwachsenen Mann. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er der neuen Frau seines Vaters und deren Tochter keinerlei Respekt entgegenbrachte. Zwar verhielt er sich höflich, solange sein Vater zugegen war, bei allen anderen Gelegenheiten behandelte er sie dagegen wie unwillkommene Gäste. Er schien Frauen zu verachten und als minderwertige Wesen zu betrachten, die kaum mehr wert waren als Tiere. Vor allem Chloe hielt er für verwöhnt und starrköpfig, und er fand, dass sie dringend lernen müsste, wie sich eine Frau angemessen zu verhalten hatte. In der Praxis bedeutete dies, dass sie den Kopf zu hoch trug, Männern zu direkt in die Augen sah, zu Männern nicht mit dem gebührenden Respekt und mit der angemessenen Demut sprach, und dass sie die ärgerliche Angewohnheit hatte, immer den Männern vorauszugehen, anstatt einige Schritte hinter ihnen zu bleiben. Es machte ihm Spaß, all ihre Fehler und Irrtümer in hazaristanischen Sitten und Gebräuchen zu korrigieren, genauso wie er mit Spott auf jeden Fehler reagierte, der ihr beim Erlernen der Sprache unterlief. Da er wusste, dass ihre Mutter sich ihm unterordnen würde, um den Frieden zu wahren, wenn Chloe aufbegehren sollte, erteilte er mit Vorliebe Anweisungen, die sie beide zu Dienerinnen machten. Den wenigen Malen, bei denen sich Chloe wirklich widersetzte, folgten regelmäßig kleinere Unfälle, durch die sie die eine oder andere Verletzung davontrug oder ein für sie wertvoller Besitz wie beispielsweise ihr Lieblingsbuch, ein besonders schöner Ring oder ein Anhänger, den sie von ihrem Vater bekommen hatte, beschädigt wurde oder aus unerfindlichen Gründen abhanden kam.
    Ihr Stiefvater nahm vom Verhalten seines Sohnes durchaus Notiz, aber es schien, dass er gegen ihn völlig machtlos war. Schuldgefühle hielten ihn von einem Einschreiten ab, als habe er das Gefühl, seine Kinder vernachlässigt zu haben, weil er sich so lange in den Vereinigten Staaten aufgehalten hatte und sie stattdessen von seinen Schwiegereltern großgezogen worden waren. Der einzige Vorschlag, den Imam machen konnte, damit das Leben für Chloe angenehmer wurde, war eine arrangierte Ehe, bei der sie jedoch die Unterdrückung durch ihren Stiefbruder gegen die durch einen Ehemann eintauschen würde. Damals war sie gerade fünfzehn gewesen und hatte ein solches Ansinnen weit von sich gewiesen. Die Vorstellung, mit einem Mann verheiratet zu werden, ohne dass Liebe im Spiel war, hatte für sie etwas Entsetzliches. Auf der anderen Seite war es auch sehr unwahrscheinlich, dass sie in diesem Land jemals einem Mann begegnen würde, zu dem sie eine liebevolle Beziehung aufbauen könnte, wenn sie alle so frauenverachtend eingestellt waren wie Ahmad.
    Ihr Stiefvater seufzte und zuckte mit den Schultern, doch er bedrängte sie nicht weiter. Stattdessen heiratete Treena den Mann, den Imam für Chloe vorgesehen hatte. Dieser Mann war Ismael, ein Cousin, den sie vor der Hochzeit bei einigen Familienzusammenkünften nur von weitem gesehen hatte.
    In ihrer Verzweiflung schrieb Chloe ihrem Vater und flehte ihn an herzukommen und sie zu sich zu holen oder ihr wenigstens Geld zu schicken, damit sie den Flug nach Hause bezahlen konnte. Sie schickte ihm einen Brief nach dem anderen und wartete geduldig auf die Antwort, die nie kam. Währenddessen machte Ahmad ausschließlich das, was ihm gefiel, als sei er eine moralische Autorität für die ganze Familie. Das Leben wäre völlig unerträglich gewesen, hätte er nicht sehr viel Zeit mit irgendwelchen mysteriösen Aufträgen verbracht, die ihn außer Landes führten.
    In der Zwischenzeit wurde das Land, das nach dem Abzug der Sowjets friedlich und fortschrittlich hätte sein sollen, unablässig von einem Guerillakrieg erschüttert. Auf der anderen Seite der Grenze, in Afghanistan, strebten die Taliban - eine Bezeichnung, die aus dem Wort
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