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Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind

Titel: Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
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seines Vaters sucht, um mutig zu sein." Aus der Stimme ihrer Stiefschwester war erschöpfte Resignation herauszuhören. Dann blitzten hinter dem Netzeinsatz ihrer Burqa ihre Augen auf. „Dein Amerikaner war sehr attraktiv, findest du nicht?"
    „Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen."
    „Aber natürlich ist es das. Ich fand, er war wie einer dieser Filmstars, die ich als Kind gesehen habe. Vor der Zeit der Taliban. Bevor die Kinos geschlossen wurden, bevor ... na ja, bevor es so wurde, wie es heute ist."
    „Das ist nicht von Bedeutung."
    „Du lügst im Angesicht Allahs, und zu welchem Zweck? Deine Träume lassen sich nicht kontrollieren, und diesen Mann wirst du nur in deinen Träumen wiedersehen können."
    War es denkbar, dass Treena mitgehört und den Wortwechsel verstanden hatte? Es war unwahrscheinlich. Sie hatte keine formale Ausbildung genossen, sie hatte nie Englisch gelernt. Doch sie hatte viele Jahre lang mit Chloe und ihrer Mutter zusammengelebt, der Frau, die Treenas Vater geheiratet hatte, nachdem seine erste Frau bei der Geburt ihrer Tochter gestorben war. Chloe hatte sogar versucht, ihr die gängigsten Begriffe und Formulierungen beizubringen, bis jeglicher Unterricht verboten worden war.
    „Wenn ich ihn nie wiedersehen werde, umso besser", sagte Chloe mit Nachdruck. „Seinetwegen hätte man mich auspeitschen oder sogar umbringen können."
    „Das ist wahr." Treena sah fort und schwieg.
    Eine reinigende Wut ließ Chloe erstarken und befreite sie vom Zittern in ihren Händen und von dem eiskalten Entsetzen, das sich um ihr Herz gelegt hatte. Es fühlte sich gut und vertraut an, fast so wie die Rückkehr eines alten Freundes. So lange Zeit war sie von Zorn zerfressen worden, dass sie glaubte, verloren zu sein, wenn dieser Leitstern ihr nicht den Weg wies.
    Begonnen hatte es, als ihr von ihrer Mutter, Professorin an der UCLA, eröffnet worden war, sie werde den hazaristanischen Dozenten heiraten, den sie kurz zuvor an der Universität kennen gelernt hatte. Dieser Mann hatte sich im Rahmen eines Austauschprogramms für ausländische Lehrkräfte zu einer Zeit in den Vereinigten Staaten aufgehalten, die mit dem Einmarsch der Sowjets im benachbarten Afghanistan zusammengefallen war. Chloe war mit Imam gut ausgekommen, doch sie hätte niemals für möglich gehalten, dass ihre Mutter es mit dem ruhigen, gelehrten Hazaristaner mit dem sanften Lächeln ernst meinen könnte. Dass ihre Eltern sich drei Jahre zuvor hatten scheiden lassen, war für Chloe eine Tragödie gewesen, dennoch hatte sie nie so ganz die Hoffnung aufgegeben, ihre Mutter könnte doch wieder zu ihrem Vater, einem Ingenieur, zurückfinden.
    Aber nichts, was sie gesagt hatte, konnte ihre Mutter umstimmen. Nicht ganz ein Jahr nach der Heirat hatten sich die Sowjets aus Afghanistan zurückgezogen, und in Hazaristan stabilisierte sich die Lage. Imam begann, über eine Rückkehr nach Hause nachzudenken. Chloe, zu der Zeit noch keine vierzehn Jahre alt, reagierte völlig ablehnend auf die Vorstellung, die Staaten zu verlassen. Sie konnte nicht glauben, dass sie sich von all ihren Freunden und ihrer vertrauten Umgebung in Kalifornien verabschieden sollte. Sie hasste den Gedanken, in einem Land leben zu sollen, das so rückständig war, dass Strom und fließendes Wasser als Luxus galten. Ein Land, in dem Nomaden auf Pferden über Gebirge und durch Wüsten ritten und in Zelten hausten. So dachte sie, noch bevor sie hazaristanischen Boden betreten und ihre Stiefschwester und ihren Stiefbruder kennen gelernt hatte.
    Von Treena waren sie wirklich freundlich aufgenommen worden, bei Ahmad lag die Sache dagegen völlig anders. Er holte sie am Flughafen ab, aber es war nicht zu übersehen, dass er außer seinem Vater niemanden erwartet hatte. Sein Gesicht wurde kreidebleich vor Schock, und Tränen standen in seinen Augen, als er Chloe und ihrer Mutter vorgestellt wurde. Dann versteinerte sich seine Miene, als würde er ihnen gegenüber Abscheu oder sogar Hass empfinden. Ohne sie zu begrüßen, wandte er sich um und ging weg.
    Imam rief seinem Sohn nach, er solle sich für sein unhöfliches Verhalten entschuldigen. Als der nichts erwiderte, wollte Imam ihm nacheilen, doch Chloes Mutter legte eine Hand auf seinen Arm.
    „Du hast ihm nichts davon gesagt?" fragte sie mit besorgter Miene.
    „Ich hielt es für das Beste, es von Angesicht zu Angesicht zu machen. Offenbar habe ich mich geirrt."
    „Offenbar."
    Ahmads Vater schüttelte den Kopf. „Es ist meine
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