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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch
Autoren: M.j. Rose
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schrieb David nicht an einer Story, sondern war auf dem besten Wege, selber Geschichte zu machen. Wassong wiederum hätte ihn jederzeit verpfeifen können.
    David öffnete den Reißverschluss seines dunkelgrünen Rucksacks, zog einen dicken Umschlag hervor und reichte ihn Wassong. Der machte ihn auf, zählte das Bündel aus Zweihundert-Euro-Scheinen durch, stopfte das Kuvert anschließend wortlos in die Innentasche seines Anoraks und klopfte die Ausbeulung glatt. “Sagen Sie mal – wann soll’s denn so weit sein?”
    “Etwa Montag oder Dienstag.”
    “Dann wollen Sie also hier unten kampieren?” Wassongs Frage klang, als wolle er ihn förmlich dazu drängen.
    “Was gibt’s denn Neues? Irgendwelche Gerüchte?”
    “Nichts Konkretes. Ahmed Abdul soll in Serbien gesichtet worden sein.”
    Serbien war gerade mal fünfhundert Kilometer von Wien entfernt, zweitausend weniger als Palästina. Zufall? Seit 1995 hatte David keine einzige Konferenz der “International Security and Technology Association”, kurz ISTA, versäumt. Für den Terroristen wäre es ein Leichtes gewesen, herauszufinden, dass David auch dieses Jahr von der Tagung der ISTA berichtete – und ihm nach Wien zu folgen.
    “Ihnen ist doch klar, dass Sie immer noch bei denen auf der Liste stehen?”, fragte Wassong, als David nicht reagierte.
    “Ja.” Dass er gejagt wurde, räumte er so einsilbig ein, als habe man ihn nach seinem Beruf gefragt.
    Inzwischen war das Orchester offenbar mit dem Stimmen fertig. Nach kurzer Zeit erklangen die stürmischen ersten Takte von Beethovens 5. Sinfonie.
    “Das Schicksal pocht an die Pforte”, brummte Wassong.
    “Wie bitte?”
    “Beethoven soll mal auf den Beginn des ersten Satzes dieser Sinfonie gezeigt und zu seinem Sekretär gesagt haben: ‘So pocht das Schicksal an die Pforte’.”
    “Donnerwetter! Respekt! Waffenhändler, Kartograf, Höhlenforscher – und jetzt auch noch Beethoven-Kenner?”
    “Wenn man in Wien wohnt, saugt man diese Musiklegenden sozusagen mit der Muttermilch auf. Das kommt von ganz allein.”
    Vorübergehend verwandelte sich der kalte Stein in rote Plüschsessel; vergoldete Stuckleisten überzogen die Felswände, und die Krypta wurde zum Konzertsaal. Zwei Männer lauschten wie hingerissen den Klängen einer Sinfonie. Davids Frau hatte Beethovens Fünfte ganz besonders gern gehört. Mit geschlossenen Augen gestattete er sich, einen Augenblick lang in Erinnerungen zu schwelgen.
    “Alles in Ordnung?”, fragte Wassong.
    Die Musik schwoll an zu einem Crescendo, das hinunterdrang bis in diesen Bauch der Erde, bis in den innersten Kern. David hatte Wassongs Frage gar nicht mitbekommen. Wenn sie nächste Woche schon alle aus dieser schönen Welt scheiden mussten, dann immerhin auf den Schwingen dieser engelsgleichen Musik.
    Plötzlich war er wieder ganz bei der Sache. “Wie tief unten sind wir hier eigentlich?”, fragte er.
    “Zwölf bis vierzehn Meter”, vermutete Wassong. “Zu tief für Georadar; die ideale Stelle für einen Sprengsatz. Genau hier, wo wir jetzt stehen. Keiner – weder das Gebäude noch die Konzertbesucher – werden die Explosion überstehen. Ausgezeichnetes Fleckchen, was? Das müssen Sie zugeben!”

2. KAPITEL
    N ew York City
    Donnerstag, 24. April – 11:00 Uhr
    Meer rannte die Stufen des American Museum of Natural History hinunter zur Central Park West. Obwohl noch gar nicht am Bürgersteig angekommen, hielt sie schon Ausschau nach einem Taxi. Als keines zu entdecken war, beschloss sie, die sechs Häuserblocks bis zur Phoenix Foundation zu laufen. Zu Fuß gelangte man nämlich vom Museum genauso schnell zum Gebäude der Stiftung. Eigentlich hätte sie ihren Arbeitsplatz so mitten am Vormittag gar nicht verlassen dürfen, doch einem Mann wie Malachai Samuels konnte man so leicht nichts abschlagen. Malachai war teils Schamane, teils Psychotherapeut, teils Beichtvater, und auch wenn ihm bislang keine Antworten eingefallen waren, stand er doch stets zur Verfügung. Er half ihr durch die dunklen Nächte und einsamen Tage, milderte ihre Ängste und tröstete Meer in traurigen Stunden.
    Am Telefon hatte Malachai ihr versichert, das Treffen werde höchstens eine Stunde dauern. Mehr Zeit konnte sie auch beim besten Willen nicht abzwacken. Die am Abend stattfindende Spendengala war entscheidend für den Erfolg des “Memory Dome”, einer ständigen Ausstellung über Erinnerungsforschung. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei diesem Forschungsprojekt hatte Meer
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