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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian
Autoren: Barbara Noack
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sie der Meinung: »Wenn das mein Sohn wär’ —! Dem würd’ ich vielleicht
—!!« — und mochten ihn trotzdem ganz gern.
    Bastians Wohnung umfaßte zwei Zimmer, eine
Rumpelkammer, Bad und Küche. Das große Zimmer nach vorn heraus hatte er an
einen Ingenieur aus Erding vermietet, der dort übernachtete, wenn er zu
betrunken war, um heimzufahren, oder wenn er eine Freundin hatte. Im anderen —
Bastians Zimmer — waren noch die Vorhänge zugezogen, als er gegen Mittag
heimkam. In seinem Bett lag Micky herum.
    Das war ein echter Schlag für einen frisch verzauberten
Menschen. Er hatte Micky ganz vergessen.
    Auf dem Sofa, auf seinem Arbeitstisch, den
Stühlen und am Fußboden lagen ihre Ketten, Höschen, Blüschen, Jeans — soviel
Plunder auf seinem Besitztum — , und der ärgste Plunder war Micky selbst in
seinem Bett, aus dem sie sich jetzt stöhnend schälte. »Was ‘n los?«
    Bastian zerrte so wütend die Gardine auf, daß
sie aus ihren Ringen sprang. Micky sah ihm zu und fand das komisch — seine Wut
und die kaputte Gardine.
    Sie war ganz junger, wuscheliger Sex, mit Schminkresten
um die Augen und einem Busen, der selbst beim Aufwachen nicht verschlafen
wirkte. Er war ihr Kapital, von dem sie gelegentlich lebte, indem sie ihn für
Wäschefotos und Reklame herlieh. »Da liegst du rum«, schrie er voll sittlicher
Empörung. »Da liegt alles von dir rum! Du breitest dich aus wie der Rost auf
meiner Else!«
    »Welcher Else?«
    »Meinem Auto, wem denn sonst! Stehst du nicht
auf? Weißt du überhaupt, wie spät es ist? Andere Frauen — zum Beispiel in
Krankenhäusern — haben jetzt schon ein Riesenpensum hinter sich. Echte
Pflichten!«
    »Schön blöde«, sagte Micky.
    Bastian stand blutrauschend vor dem Bett.
»Micky, ich rate dir, such dir ‘ne andere Bleibe. Sonst gibt’s ein Unglück!«
    »Was für ‘n Unglück?«
    Bastian fiel so schnell kein passendes ein.
    »Hab’ ich’s mir doch gedacht! Du weißt keins.«
    Er fiel erschöpft in seinen einzigen Sessel,
stand noch mal auf, um Mickys Handtäschchen daraus zu entfernen, und sah sie
an. »Wie lange willst du eigentlich noch hier bleiben?«
    Micky breitete ungewiß die Arme aus, sie wußte
es auch nicht.
    Vor drei Wochen hatten Freunde von Bastian sie
mit hierhergebracht. Die Freunde — Lisa und Paul — waren nur auf ein Bier
gekommen. Waren nach dem Bier wieder gegangen und hatten Micky zurückgelassen,
die stark fieberte und in München keine feste Adresse besaß.
    Seit zwei Wochen und drei Tagen hatte Micky kein
Fieber mehr, war aber immer noch da.
    »Warum, Micky?« fragte Bastian gezielt in ihre
Richtung. Sie streckte erst mal ein Bein in die Luft, ein langes, gerades,
braunes Bein mit einem Kettchen am Fußgelenk. Und ungewaschener Fußsohle. Micky
gefiel das Bein sehr gut.
    »Weil ich keine Bleibe habe«, sagte sie, »und
weil du nicht der Mensch bist, der den Mut hat, einen anderen rauszuschmeißen.«
    Womit sie die Sachlage klar erfaßt hatte.
    »Wenn du schon hier bist, könntest du wenigstens
mal abwaschen. Seit drei Wochen hast du nicht einmal.«
    »Du ja auch nicht«, sagte Micky und rollte sich
zur Wand. »Ich hab’ dich nicht freiwillig aufgenommen. Dafür hab’ ich Zeugen.«
    »Ja«, sagte Micky, »Paul und Lisa. Aber das ist
doch bekannt.« Sie wandte mühsam den Kopf nach ihm um — ein Traum von einem
Mädchen. Eine knisternde Katze, bei deren Anblick Männer heiße Ohren kriegen
und blumige Vorstellungen. Ein Mädchen, das alle Vorzüge für eine sinnliche Nacht
mitbrachte, bloß keine Lust dazu. Ein absoluter Bluff.
    Bastian stand wütend aus dem Sessel auf und
sagte: »Ach, Mensch! Mensch, Micky — «, und ging und wußte noch nicht, wohin.
     
     
     

Bastian
macht schon wieder einen Krankenbesuch
     
    Am nächsten Tag stand Bastian auf dem
Viktualienmarkt vor demselben Blumenstand und kaufte sieben langstielige Rosen.
Er bekam sie billiger, weil sie nicht mehr ganz frisch waren. Mit denen
besuchte er seine Großmutter am Nachmittag zur offiziellen Besuchszeit.
    Martha Guthmann saß aufrecht in ihrem Bett und
hielt sich verbittert die Ohren zu, und das mit Grund. Denn um der tauben Frau
Kynast Bett lagerte ihre Familie — Mann, Tochter, Schwiegersohn und Enkelkind.
    Die Tochter schrie gerade: »Frau Huber läßt dich
grüßen!« Frau Kynast fragte: »Wie?«
    »Frau Huuuber!«
    Darauf Frau Kynast ungeduldig: »Ja, Frau Huber.
Ich hab’ verstanden. Was ist mit der?«
    »Sie läßt dich grüßen!!!«
    »Wie?«
    » Grüßen
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