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Der Bastard

Der Bastard

Titel: Der Bastard
Autoren: Roman Rausch
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Jahrhunderten. Da ist nichts Anrüchiges dran. Selbst mein Vater hat sie Neger genannt, und der war, weiß Gott, kein Rassist.»
    «Weil er bei der Bahn war?»
    «Zum Beispiel.»
    «Wieso sollten Bahner keine Rassisten sein?»
    «Weil sie tagtäglich mit ihnen zu tun haben. Das sind nämlich auch Fahrgäste, Fräulein Tausen d schlau. Aber wenn es dir lieber ist, dann verwenden wir eben den offiziellen Sprachgebrauch. Was haben wir denn diese Woche? MEM, Mitglied einer ethnischen Mi n derheit?»
    «Hat der Chef in seiner letzten Mitteilung unte r sagt, da Minderheit abwertend klingt», antwortete Sabine . « Offiziell heißt es jetzt: MPP – massiv pi g mentierte Person.»
    «Hieß das nicht SPP oder so?»
    «Stark pigmentierte Personen können auch Asi a ten und Araber sein.»
    «Mein Gott. Bald muss ich wohl auch noch zum Negerkuss Schokoschaumbällchen sagen.»
    Kilian versuchte, den Disput zurück auf eine sachliche Ebene zu bringen. «Es besteht die Möglichkeit, dass ihn jemand vorsätzlich unter Wasser gedrückt hat.»
    «So eine Sauerei», schimpfte Sabine. «Hört das denn nie auf, dass irgendwelche kranken Idioten Kinder umbringen? Und dann noch ein schwarzes Kind.»
    Heinlein horchte auf. «Ist es denn schlimmer, als wen n e in weißes Kind getötet worden wäre? Woher stammt deine seltsame Verbundenheit mit Negern … ich meine natürlich MPPs?»
    «Daran ist überhaupt nichts seltsam. Einige meiner besten Freunde sind schwarz.»
    «Du hast Neger als Freunde?»
    «Was ist daran so außergewöhnlich? Wir leben schließlich im einundzwanzigsten Jahrhundert.»
    «Findest du keine weißen Freunde mehr?»
    «Jetzt reicht ’ s, Schorsch. Seit wann bist du so intolerant? Du warst doch früher nicht so.»
    Dinge ändern sich, ging es Kilian durch den Kopf. War das noch sein alter Freund und Kollege Schorsch Heinlein, der etwas kauzig, aber immer gutmütig in die Welt geschaut hatte?
    «Ich habe nichts gegen Neger, Schwarze, Farbige, MPPs, SPPs oder MEMs oder was denen als Nächstes einfällt, verdammt», schimpfte Heinlein, «und jetzt Schluss mit dieser überflüssigen Diskussion. Sabine, setz dich mit der Spurensicherung in Verbindung, besorg dir die Fotos von der Leiche und überprüf d a mit die Vermisstendatei.»
    «Schon geschehen», antwortete Sabine. «Er ist zwischen Aschaffenburg und Schweinfurt nicht eingetragen.»
    «Dann weite die Anfragen auf Frankfurt, Nürnberg und Bamberg aus. Schließlich haben wir Afrika-Festival. Der Junge kann von überall herkommen. Was sag ich, mach am besten eine nationale Übe r prüfung. Irgendjemand muss ihn ja vermissen.»
    Kommentarlos nahm Sabine den Auftrag ihres Chef s e ntgegen und verschwand in ihrem Büro. Kil i an und Heinlein schauten sich wortlos an.
    «Ist das dein neuer Führungsstil?», fragte Kilian.
    «Sie ist schnippisch und zeigt keinen Respekt. Ich habe langsam die Faxen dicke.»
    «Vielleicht liegt es nicht an deinem Job als Erster Kommissar, sondern daran, dass sich deine Persönlichkeit verändert hat.»
    «Blödsinn. Ich bin der, der ich schon immer war.»
    Kilian schaute ihm in die Augen.
    «Was ist?», fragte Heinlein.
    «Nichts.»
    4
    Ubunta Ndego schritt in einem grünen seidenen Gewand über das Festivalgelände. Ihre langen schwarzen Zöpfe hatte sie unter einem kunstvoll geschlungenen Kopftuch verborgen. An den Füßen trug sie wie immer Sandalen. Auf den ersten Blick mochte man sie als wohlhabende Afrikanerin einordnen. Ende fünfzig, g e pflegt und bessergestellt. Doch wenn man ihr in die Augen sah, erkannte man hinter dieser Fassade eine Bestimmtheit und Leidenschaft, wie sie sonst wohl nur Missionare besaßen. Ubunta war Voodoopriesterin, eine ehrenwerte Manbo.
    Hinter ihr gingen zwei Männer, ebenfalls Schwa r ze, aber nicht in Nationaltracht, sondern in viel zu warmen europäischen Anzügen. Der Staub kroch mit jedem Schritt an den Bügelfalten hoch.
    Die Männer hörten ihr aufmerksam zu.
    «Ich habe heute Morgen nochmals mit dem Geschäftsführer gesprochen. Er hat mir versichert, dass es dabei bleibt, was wir verabredet haben.»
    «Dann können wir also fest mit der Zusage rechnen?», fragte der eine.
    «Keine Zusagen. Die Herren wollen euch erst mal kennenlernen und dann entscheiden.»
    «Du weißt», warf der andere ein, «dass viel davon abhängt. Wenn wir es nicht schaffen, den Auftrag zu uns zu holen …»
    «Ich habe euch nichts versprochen. Ihr seid auf mich zugekommen.»
    «Entschuldige, Ubunta», schaltete sich der Erste
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