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Der Bastard

Der Bastard

Titel: Der Bastard
Autoren: Roman Rausch
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mit ihrer Schwangerschaft zu tun hatte und somit nicht ganz freiwillig war. Es wäre ihr lieber gewesen, er hätte diesen Schritt angekündigt und mit ihr besprochen. Das konnte sie ihm hier und jetzt aber nicht sagen. Es war Heinlein, der das Schweigen brach.
    «Übernimmst du jetzt wieder die Leitung?», fragte er gepresst. Eine leichte Röte zog sich über sein Gesicht.
    Kilian winkte ab. «Du bist der Chef.»
    «Können wir weitermachen?», fragte Karl und blickte in die Runde. Es war offensichtlich, dass Heinlein gern noch etwas gesagt hätte, doch er nickte nur, und Karl begann mit seinen Ausführungen.
    «Ich habe die Leiche vor Ort oberflächlich untersucht und kann bisher nur Folgendes sagen. Es handelt sich um einen Jungen schwarzer Hautfarbe, etwa zwölf bis vierzehn Jahre alt. Der Körper zeigt noch keine Spuren von Aufgedunsenheit oder Fischfraß. An den Fingerkuppen konnte ich Waschhautbildung feststellen, jedoch nicht in der Hohlhand und auf dem Handrücken. Er kann nicht lange im Wasser g e legen haben. Aber festlegen, auch nicht ungefähr, will ich mich noch nicht. An den Handflächen sind Schürfwunden festzustellen. Sie wurden eindeutig nicht vom Kran verursacht. Ich konnte noch kleine Steinsplitter in den Wunden entdecken. Keine Au s weispapiere.»
    «Also ertrunken», schlug Kilian vor.
    «Wir ziehen keine voreiligen Schlüsse. Erst m a chen die Kollegen hier ihre Arbeit, und dann sehen wir weiter», bestimmte Heinlein.
    «Es ist Afrika-Festival», meldete sich Ernst zu Wort. Alle sahen ihn fragend an.
    «Na ja, schwarzes Kind, Main, Afrika-Festival», erklärte Ernst seinen Gedankengang.
    «Wann hat das Afrika-Festival begonnen?», fragte Heinlein.
    Pia antwortete: «Gestern. Es dauert bis Sonntag.»
    «Lasst mich erst mal zum Ende kommen», forderte Karl. «Kein Schaumpilz auf den ersten Blick», sagte er.
    Pia und Ernst schauten nachdenklich, Heinlein und Kilian ratlos.
    «Und was bedeutet das?», fragte Kilian.
    Pia übernahm es, ihm zu antworten.
    «Wenn ein Mensch ertrinkt, können wir die Zeit bis zum Tod in unterschiedliche Phasen einteilen. Er schnappt nach Luft und taucht unter. Anschließend versucht er, wieder an die Oberfläche zu gelangen, und kämpft ums Überleben. Dabei atmet er Wasser und Luft ein, wobei es zu einem Hustenreiz kommt. Diese Mischung aus Luft, Wasser und Bronchialse k ret führt nach der Bergung zum sogenannten Schaumpilz, der aus den Atemöffnungen austritt. Aber nicht alle Ertrunkenen weisen dieses Merkmal auf.»
    «Ist er nun ertrunken oder nicht?», fragte Heinlein ungeduldig.
    Pia schüttelte bedauernd den Kopf. «Das können wir noch nicht sagen. Es gibt nur ein sicheres Ze i chen für Ertrinken. Wenn wir seine Lunge unters u chen, muss sie überbläht sein und eine trockene Schnittfläche haben. Wir nennen das Knisterlunge, weil beim Einschneiden ein knisternder Laut zu hören ist. Entgegen der landläufigen Meinung kommt beim Ertrinken kein Wasser in die Lunge.»
    Karl schaltete sich noch einmal ein. «Es gibt noch weitere Anzeichen für Ertrinken, die müssen aber nicht unbedingt auftreten.»
    Kilian hakte nach. «Wenn ihr bei der Obduktion eine Knisterlunge findet, dann ist er ertrunken. Wenn nicht, dann ist er tot ins Wasser gelangt?»
    Pia, Karl und Ernst nickten.
    «Lasst uns an die Arbeit gehen, dann wissen wir mehr», sagte Karl und erhob sich. Die anderen fol g ten ihm. Beim Hinausgehen hielt Pia Kilian am Ärmel zurück.
    «Wieso bist du wieder im Dienst? Ich dachte, du wolltest noch ein bisschen in Italien bleiben?»
    «Ja, wollte ich.» Kilian schaute unschlüssig auf seine Stiefelspitzen. «Aber die Situation hat sich geändert, oder nicht? Ich dachte, es ist besser, wenn ich hier bin. Wenn du etwas brauchst oder … ich weiß auch nicht.»
    «Ich brauche nichts», sagte Pia schnippisch. «Von mir aus kannst du dein Leben leben, wie du willst. Lass dich nicht von mir einengen.»
    «Wir bekommen ein Kind.»
    «Ich bekomme ein Kind. Du bist zu nichts verpflichtet.»
    «Lass uns heute Abend in Ruhe darüber sprechen», schlug Kilian vor. Pia nickte, und schweigend folgten sie den anderen.
     
    D er Junge lag bekleidet auf dem Obduktionstisch. Karl stand an der Seite. Er würde die Untersuchung der Leiche vornehmen. Pia leitete die Obduktion. Sie hielt ein Diktiergerät in der Hand, mit dem sie Karls Erkenntnisse bestätigen und aufzeichnen konnte. Ernst sollte Karl assistieren.
    Karl schilderte zunächst seinen Gesamteindruck. Der Junge war
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