Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
kannst nach hinten gehen und die Männer einsammeln. Haben sie gesagt, wie lange wir weg sein werden?«
    »Nein«, sagte er. »Sie haben nicht einmal einen vernünftigen Grund genannt. Nur dass wir wegen des Sturms nach Norden müssen. Und ... dass es das Ende ist.«
    Auaine atmete scharf aus. »Nun, du kümmerst dich um die Männer. Ich kümmere mich um das Haus.«
    Sie eilte hinein, und Renald wandte sich mit einer Willensanstrengung von dem Sturm ab. Er ging um das Haus herum und betrat den Scheunenhof, rief die Arbeiter zusammen. Es war ein kräftiger Haufen, alles gute Männer. Seine eigenen Söhne hatten ihr Glück anderswo gesucht, aber seine sechs Arbeiter standen ihm fast so nahe wie seine Söhne. Merk, Favidan, Rinnin, Veshir und Adamad versammelten sich um ihn. Renald schüttelte seine Benommenheit ab und schickte zwei los, das Vieh zusammenzutreiben, zwei weitere sollten das Getreide und die Lebensmittel zusammenpacken, die noch vom Winter übrig waren, und der letzte Mann sollte Geleni holen, der im Dorf neues Saatgut besorgen sollte, nur für den Fall, dass die Aussaat während ihrer Lagerung verdorben war.
    Die Männer zogen los. Renald blieb noch einen Moment auf dem Scheunenhof stehen, dann ging er in die Scheune zu seinem Schmiedezeug und zog es ins Sonnenlicht hinaus. Es war nicht nur ein Amboss, sondern eine komplette Schmiede, die man transportieren konnte. Sie stand auf Rädern, man konnte nicht in einer Scheune schmieden. Der ganze Staub konnte Feuer fangen. Er zog an den Griffen und rollte sie zu dem Alkoven an der Hofseite, der aus guten Ziegeln gemauert war, wo er bei Bedarf kleinere Reparaturen ausführen konnte.
    Eine Stunde später hatte er das Feuer geschürt. Er war nicht so geschickt wie Thulin, aber er hatte von seinem Vater gelernt, dass es einen großen Unterschied machte, wenn man selbst etwas schmieden konnte. Manchmal konnte man einfach nicht die Stunden verschwenden, die es dauerte, um ins Dorf zu gehen und zurückzukehren, bloß um ein gebrochenes Scharnier zu richten.
    Die Wolken waren immer noch da. Er versuchte sie zu ignorieren, als er den Schmiedeofen verließ und zur Scheune ging. Diese Wolken waren wie Augen, die ihm über die Schulter blickten.
    In der Scheune drang Licht durch die Spalten in den Wänden, fiel auf Staub und Heu. Er hatte sie vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren selbst gebaut. Eigentlich hatte er schon länger die verzogenen Dachbohlen ersetzen wollen, aber jetzt würde dafür keine Zeit mehr sein.
    An der Werkzeugwand griff er nach seiner drittbesten Sense, hielt dann aber inne. Er holte tief Luft und nahm stattdessen die beste Sense von der Wand. Er ging zurück zum Schmiedeofen und schlug den Stiel von der Sense.
    Als er das Holz zur Seite warf, kam Veshir - der Älteste der Hofarbeiter - mit zwei Ziegen heran. Als Veshir das Sensenblatt auf dem Amboss sah, verfinsterte sich seine Miene. Er band die Ziegen an einem Pfosten an, dann ging er zu Renald, sagte aber kein Wort.
    Wie stellte man eine Stangenwaffe her? Thulin hatte gesagt, dass man damit einen Mann gut vom Pferd reißen konnte. Nun, er würde den Sensenstiel durch einen längeren und geraden Eschenholzschaft ersetzen müssen. Das Schaftende würde über die Klinge hinausragen und zu einer primitiven Speerspitze geformt, die man mit einem Stück Zinnblech verstärkte. Und dann würde er das Sensenblatt erhitzen und ungefähr bis zur halben Höhe ein Stück aus der Oberseite herausschlagen, um einen Haken zu machen, mit dem man einen Mann vom Pferd ziehen und ihn vielleicht gleichzeitig schneiden konnte. Er schob das Sensenblatt in die glühenden Kohlen, um es zu erhitzen, dann band er sich die Schürze um.
    Veshir sah ihm kurz zu. Dann trat er heran und nahm ihn beim Arm. »Renald, was machen wir hier überhaupt?«
    Renald schüttelte den Arm frei. »Wir gehen nach Norden. Der Sturm kommt, und wir gehen nach Norden.«
    »Wir gehen bloß wegen eines Sturms nach Norden? Das ist Wahnsinn!«
    Fast das Gleiche hatte Renald zu Thulin gesagt. In der Ferne donnerte es.
    Thulin hatte recht. Das Getreide ... der Himmel ... die Nahrung, die ohne Vorwarnung verdarb. Renald hatte es gewusst, schon vor dem Gespräch mit Thulin. Tief in seinem Inneren hatte er es gewusst. Dieser Sturm würde nicht über ihren Köpfen vorbeiziehen und dann wieder verschwinden. Man musste ihm ins Auge sehen.
    »Veshir«, sagte er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Du arbeitest hier jetzt schon seit ... wie lange?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher