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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes
Autoren: Karl Bleibtreu
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»einsam«, so daß er notgedrungen
unzählige Seelen aus seiner Allseele produziert? Wer so denkt, besudelt leidig das Eine, das immer zugleich Eins und All
bleibt. Plotin griff hier ungeschickt daneben. Oder führt der Eine in den Vielen vor sich selbst eine Maskerade auf?
Solche kindischen Ratereien sind notwendig anthropomorphische Täuschungen. Doch ein notwendiges Warum zu leugnen, weil
der kleine Mensch es nicht erfassen kann, ist eine Frechheit, die nur von ihrer Dummheit übertroffen wird. Wahrlich, es
gibt ein Warum für jedes Was und Wie, nur hier so unaussprechlich erhaben, daß selbst der erleuchtetste Seher es
nur in dämmernden Umrissen ahnt. Allerdings muß Gott schaffen wie das Genie, das ohne Schaffen kein Genie
wäre, diese Analogie ist um so sinnbildlicher, als das Genie nur zur Selbstveranschaulichung schafft. Leonardo erkannte
schon bald, sein Abendmahl werde eindunkeln, doch selbst wenn es sofort nach Vollendung hätte vergehen müssen,
hätte er's doch geschaffen und Shakespeare seine Dramen geschrieben, wenn er gewußt hätte, die Manuskripte
würden verbrannt werden. So darf man nicht abweisen, daß innerer Zwang das Absolute zum Schaffen nötigt als
einer seiner Funktionen. Doch da dies Weltschaffen auf viel subtilerem Wege geschieht, als Götzentheologie sich
träumen läßt, dürfen wir weder hierin das volle Warum vermuten noch auch im Christussymbol der
Selbstkreuzigung Gottes, wieder nur einem Teil der möglichen Wahrheit. Jesu Geheimnis »Ich und der Vater sind
eins« konnte die plumpe Menschheit nur götzendienerisch mißverstehen, wir aber erkennen, daß
Kreuzigung und Himmelfahrt eine Notwendigkeit der Allökonomie sein müssen, genau so wie Schlaf und Wachen, Tod und
Leben. Nur Pietätlosigkeit unterfängt sich, naseweise Fragen an den Einen zu stellen, Er wird schon wissen warum,
wie soll das Endliche im Staubkleid das strahlende Unendliche verstehen! Wer ununterbrochen in grelles Licht blinzelt,
erblindet. Sehe er lieber so weit, als sein Sehvermögen reicht, da lernt er schon genug. Gott sei uns Narren
gnädig! wäre das passende Gebet gelehrter Zöllner, die mit plausibler Materialität den Welträtseln
beikommen und dem Unerforschlichen ins Handwerk pfuschen.
     

 
3
    Schon Heraklit und die Pythagoräer lehrten zyklischen Rhythmus der Allbewegung, Vedanta und Buddhismus bauten es
schon in Zahlen auf. Ein Großjahr bedeutet 360 Erdjahre, ein Großzyklus 4+320+000, 71 Großzyklen ergeben
Manvantara, teilweise zeitliche Auflösung, 14 Manvantaras wieder in 71 Zyklen unter dem Namen Kalia setzen die
Zerstörung fort, 36+000 Kalias ergeben Maya-Praylaya: Zurückziehung aller Manifestation in den Einen. Das sind die
»Nächte Brahms«, Einatmen des Daseinsodems in den Einen zurück, sogleich gefolgt von erneutem Ausatmen
in neuen Zyklen der »Tage Brahms«, gleich lang wie die Nächte. So schwingt sich das Rad des Vergehens und
Entstehens von Planet zu Planet, Tätigkeit und Untätigkeit wechseln wie Wachen und Schlaf. Sind wir so denkerisch
befriedigt? Nicht ganz! Nach okkulter Auffassung ist Schlaf kein vermindertes, sondern gesteigertes Leben, Nacht hat Reize
wie Tag, der Begriff Tage und Nächte deckt sich nicht damit, wenn Nacht des Manvantara wirkliche
Götterdämmerung bedeuten soll, zeitweiliges Wegwischen des Weltbildes. Denn ein untätiger Weltgeist ist
undenkbar, ein Nichts ebenso. Man könnte sich nur Einsaugen alles Sichtbaren in den Äther vorstellen, damit ist
aber die Welt nicht aufgehoben, sondern besteht als Äther fort, natürlichster Aufenthalt für
Nirvanaerlöste. Wo bleibt aber, was als Leben sich tummelte? Eine dem Manvatara verfallene Welt war nach indischer
Vorstellung nicht mehr lebensfähig, der versinkende Planet durch angehäufte Karmaschuld in den Abgrund gezogen. So
einst der Erdteil Atlantis, dessen Bewohner als Mechaniker und Elektriker schwarze Magie trieben, nach welchem 4. Zyklus
allmählich der 5. ins eiserne Zeitalter Kali Yuga eintrat »an age full of horrors« (Blavatzky), dessen
Früchte Weltkrieg und Weltrevolution. Gehen wir teilweisem Manvantara entgegen, wohin wandern die unzähligen
selbstverdammten Seelen, so weit vom Nirvanaäther entfernt, und wohin erst, wenn die volle Nacht des Brahm hereinbricht
und kein Planet mehr Wohnorte gewährt? Wie stimmt dies zu der Lehre, daß erdgebundene Individuen in wenig Jahren,
sogar wenig Tagen zur Erde zurückkehren, wenn doch keine Erde mehr ist?
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