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Der Aufgang Des Abendlandes

Titel: Der Aufgang Des Abendlandes
Autoren: Karl Bleibtreu
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das Selbstbewußtsein meldet! Pflanzliches und Tierisches haben gleichen
Verbrennungsapparat, doch wie verschieden atmen Pflanzen und Tiere Kohlen- und Sauerstoff ein und aus! Beide wichtigsten
Lebensstoffe vermählen sich als Kohlensäure unter gewissen Bedingungen zu bestimmtem Zweckerfolg, scheinbarer
Dualismus sucht auch hier Einheit, im Unsichtbaren gibt es sicher zahllose Verbindungen, die doch alle zu gleicher Familie
gehören. Ihr Familiencharakter aber ist Beständigkeit. Naturapparate sind stets die gleichen, sogar
Größeformate (Planeten) scheinen einmal für immer fixiert, in der ungeheuren Vielheit herrscht nur geringe
physische Transformation, keine andere Verwandlungsfähigkeit wird zugelassen als die des Schauspielers, der Maske und
Kostüm wechselt, doch stets der nämliche bleibt.
    Der Mensch schwärmt gern von Generatio aequivoca bei Athene, Madonna und sogar der Bienenkönigin. Wären
diese Damen Jungfern und ohne Mutter geboren – la recherche de la maternité est interdite –, so
unterbrächen sie den Ring exakter Mechanik nicht eigentümlicher als Fehl- und Schwergeburten – Friedrich der
Große, Voltaire usw. sträubten sich lebhaft gegen das Licht der Welt – oder die Buntscheckigkeit aller
Erotik. Aristoteles lehrte »Form« als Folge von Stoffbewegung, Plato »Idee« als primär. Nun
kristallisieren sich, mag man sie auflösen und andere Neubildung zur Verfügung stellen, Steinsalze immer wieder in
Würfel, Alaun in Achteck, Korallen in Siebenornamente, die Pflanze schießt aus ihrer Wurzel stets zum gleichen
architektonischen Gebäude auf. Ketzer mochten den heiligen Feigenbaum von Buddha-Gaya verstümmeln und umhauen, sie
verminderten nur seine Größe, er wuchs immer wieder als Idee dieses Feigenbaums und lebt noch heut. Form ist also
nur das Modell, nach dem sich der Stoff um seine Idee gruppiert. Im Atelier der Natur aufgestellt, gleicht sie der
künstlerischen Idee eines Bauplans. Wir sehen uns allgemeiner Vorbestimmung der Formen und somit einer Ideenwelt
gegenüber, in welcher der Stoff geknetet wird. Deshalb verwerfen wir das Wort Materie, setzen dafür
Materialisation, die nicht von Ursubstanz, sondern Urkraft unbekannter Wesenheiten ausgeht. Könnte man das 300fach
verstärkte Sehvermögen der Mikroskopforschung aufs gewöhnliche Sichtbare anwenden, würde man
Überraschungen erleben. Ehrenberg spricht von »seelenvollem Aufbau zierlich lebendiger Formen«, wo das
Gewebe kleinster Infusorien sich stets verfeinert. Plan, Gesetz, Einheit, wo man Zufallspiel des Formlosen vermutete! Je mehr
sich Beobachtung verschärft und Schauen vertieft, desto deutlicher tritt jedes Naturteilchen als Spiegelbild
einheitlichen Schöpfungswillens einer alldurchdringenden Psyche hervor.
    Diesem logischen idealistischen Weltbild begegnet der Materialismus mit lauter Geschäftsphrasen über angeblich
selbständige Naturwirtschaft. Das ist gut genug für Krämer, die ihr Hauptbuch mit Soll und Haben als Fetisch
verehren, während dort verzeichnete Zahlenmessungen nur papierner Niederschlag von Addition und Subtraktion zahlloser
lebendiger Tatsachen sind, aus denen man erst die Zahlen gewann. Der Wilde hält doch wenigstens seinen Stein oder
Holzklotz nur für ein Merkzeichen des angerufenen Zauberfetisch, nicht das Holz selber für wundertätig.
Freilich sind auch Stein und Holz nicht leb- und seelenlos. Denn Prof. Chander Bose, ein Hindu, bewies experimentell,
daß Metalle genau so auf Stimulanzen reagieren wie ein Menschenkörper. Eine Eisenstange spürt Müdigkeit,
schläft ein, erwacht, kann vergiftet und getötet werden. Man kann unter galvanischer Stromwirkung metallische
Vegetation erzeugen, ein deutscher Gelehrter verwandelte Salz in farbige Pilzform. Nun kann aber Leben nur durch Leben
entstehen, alles ist eben Leben, beständig kommen Lebensformen aus Unorganischem, siehe Bastians Experiment über
Entstehung von Bakterien. Was heißt überhaupt unorganisch! Derlei kann es in der ungeheuren Weltorganisierung
überhaupt gar nicht geben. Wieder nur anthropomorphische Täuschung, die alles für toten Stoff hält, was
sich menschlicher Prüfung entzieht und sich nicht animalisch bewegt. Unstreitig entstand alle Materie durch Attraktion
von »Molekülen«, An- und Abstoßung als Ehe und Scheidung chemischer Prozesse sind aber psychische Akte
und solches muß bei allen sog. Atomen vorausgesetzt werden. Haeckel erklärte offen, er sehe Zu- und Abneigung in
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