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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition)
Autoren: Béla Bolten
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ihm berichtet, dass die britischen Flieger keine gravierenden Schäden angerichtet hatten. Lediglich in Mitte hatte es einige Häuser erwischt, ansonsten reihte sich diese Nacht in die lange Reihe vergleichsweise harmloser Luftangriffe ein. Andere Städte, vor allem im Ruhrgebiet, waren viel schlimmer dran. Die Berliner waren inzwischen sicher, dass alle bisherigen Angriffe nur die Ouvertüre zu einem großen Schlag waren.
    Rösen richtete sich auf, drehte den Schirm des Scheinwerfers in Dauts Richtung und brummte: »Hast auch schon mal besser ausgesehen. Fällst ja langsam vom Fleisch.« Dabei zog er den Gürtel einige Zentimeter von Dauts Uniformmantel ab. »Außerdem habe ich es ja schon immer gesagt: Das Zeug steht dir einfach nicht.«
    »Siehst auch nicht gerade aus wie das blühende Leben«, entgegnete Daut und schlug seinem Gegenüber freundschaftlich mit der Hand auf die Schulter.
    »Wie denn auch. Erst verbringt man die halbe Nacht im Luftschutzkeller und versucht, die Dame des Herzens zu beruhigen. Kaum ist man endlich im warmen Bettchen, klingelt das Telefon, weil ein übereifriger Wachtmeister irgendwo in dieser verteufelten Stadt Körperteile eines Menschen gefunden hat, der ganz gewiss nicht auf natürliche Weise vom Leben in den Tod gegangen ist, was heute allerdings ohnehin die Ausnahme darstellt. Hätte ich gewusst, dass du der Finder bist, müsste Irma jetzt nicht allein im Bett liegen und frieren.«
    Sie frotzelten wie früher, wenn sie zu einem Leichenfundort gerufen wurden und ihre Beklemmung überspielen wollten. Als hätte es den Fall Kitty und Dauts Degradierung vom Kriminalkommissar zum Wachtmeister nie gegeben. Willi Gisch, Dauts Partner auf den langen, nächtlichen Patrouillengängen durch das finstere Berlin, fielen vor Staunen ob so viel Vertrautheit fast die Augen aus dem Kopf.
    Rösen richtete den Lichtstrahl wieder auf den halb entblößten, kopflosen Torso und deutete auf die runden, festen Brüste.
    »Die Frage nach Männlein oder Weiblein ist jedenfalls auf den ersten Blick beantwortet. Alter zwischen zwanzig und vierzig, oder was meinst du, Axel?
    »In weiblicher Anatomie dürftest du im Moment der Fachmann sein.«
    Dauts Antwort fiel barscher aus als geplant, und Rösen machte eine entschuldigende Geste. Er vergaß mitunter, dass sein ehemaliger Partner seit fast zwei Jahren unfreiwillig Strohwitwer war.
    Daut räusperte sich und versuchte, die einsetzende Beklemmung mit einem dienstlichen Ton zu verscheuchen.
    »Dann wollen wir doch mal sehen, ob der untere Teil des Körpers zum oberen passt.«
    Dabei zog er den Rest der Pappe vorsichtig zur Seite. Die drei anwesenden Männer starrten schweigend auf die schamlos daliegende Vulva.
    »Da wird der Fotograf seine helle Freude haben.«
    Rösen fasste Daut am Ärmel.
    »Komm, lass uns rausgehen, Axel. Mir reicht der Anblick primärer und sekundärer weiblicher Geschlechtsmerkmale für heute.«
    Auf der Straße bot Rösen eine Zigarette an, und sie rauchten schweigend einige Züge.
    »Wie geht es der Familie, Axel?«
    »Gut.«
    Mehr als diese kurze Antwort schien Daut unangemessen. Was sollte er auch sagen, so genau wusste er es ja selber nicht. Er hatte seine Frau Luise zuletzt vor zwei Monaten gesehen, und es würde viele Monte dauern, bis er sie wieder treffen könnte. Die beiden Großen, Walter und Ilse, entfremdeten sich immer mehr von ihm, und Bärbel hatte er erst zwei Mal jeweils für ein paar Tage gesehen. Im Sommer würde sie zwei Jahr alt. Wie sollte sie ihn jemals als Vater akzeptieren? Die Trennung von Frau und Kindern schien ihm die schwerere Strafe, mit seiner Degradierung zum Streife laufenden Schutzpolizisten war er ganz gut fertig geworden. Da konnte man wenigstens nicht so leicht in ein Fettnäpfchen treten, von denen genug in der Gegend herumstanden.
    Rösen spürte, wie sehr die Trennung von seiner Familie an Daut nagte. Er versuchte, ihn aufzumuntern und gleichzeitig zu ihrer Arbeit zurückzukommen.
    »Vielleicht ist es ja besser, dass Luise und die Kinder nicht in Berlin sind. Es ist die falsche Zeit für ein glückliches Familienleben. Womit wir beim Thema wären. Was hältst du von der Sache hier?«
    Er deutete mit dem Daumen nach hinten Richtung Hauseingang. Daut nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, warf sie auf den Gehweg und drückte sie mit der Schuhspitze aus.
    »Das bedeutet jede Menge Lauferei, würde ich sagen. Ohne Kopf dürfte die Identifizierung das größte Problem sein. Im Moment bleibt uns
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