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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American
Autoren: Andrew Britton
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auch nicht besonders scharf darauf, mich dort zu sehen. An deiner Stelle würde ich mir deswegen keine Gedanken machen.« Gelegentlich hielt Kealey am Institut für Politologie der University of Maine als Associate Professor Vorlesungen über internationale Beziehungen, aber in letzter Zeit hatte er immer weniger Lust gehabt, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Doch obwohl ihn die Vorlesungen zunehmend langweilten, musste er zugeben, dass sich der Lehrauftrag - wie ein verstohlener Blick auf Katie Donovan bestätigte - in persönlicher Hinsicht gelohnt hatte.
    Sie zog einen Schmollmund, als wäre sie über sein mangelndes Interesse enttäuscht, doch es dauerte nicht lange. »Ich bin seit sechs Uhr auf den Beinen, Honey«, sagte sie. »Jetzt geht’s unter die Dusche.«
    »Was dagegen, wenn ich mitkomme?«, fragte er grinsend.
    »Verstehe«, erwiderte sie mit einem wissenden Lächeln. »Du bist nur zu glücklich, mit mir duschen zu gehen, hast aber absolut kein Interesse daran, wie mein Tag gelaufen ist.«
    Er zuckte die Achseln. »Wir machen einen Kompromiss. Ich seife dich ein, und du erzählst mir, wie’s bei dir gelaufen ist.«
    »Schon klar, was du im Schilde führst.«
    Er wollte protestieren, aber sie hatte sich bereits das T-Shirt
über den Kopf gezogen und es ihm ins Gesicht geworfen. Dann stürmte sie mit gespielten Angstschreien die Treppe hoch, und Kealey folgte ihr auf dem Fuße.
     
    Sehr viel später stand er mit einem Kaffeebecher in der Hand auf dem Balkon im ersten Stock und blickte auf das graue Meer hinaus. Einige Kilometer vor der Küste schienen sich die Gewitterwolken schnell zu verdichten, und bald frischte der Wind böig auf und brachte die ersten Regentropfen mit sich. Aus der Ferne hörte er das Grollen des Donners, aber er konnte trotzdem den Ton des Fernsehers verstehen, der im Schlafzimmer stand und auf MSNBC eingestellt war. Alle großen Sender berichteten weiter pausenlos über den Anschlag, der sich letzte Woche in Washington ereignet hatte. Die Medien stürzten sich auf jede Katastrophe, gleichgültig, ob sie von der Natur oder von Menschenhand ausgelöst worden war. Während er den heißen Kaffee schlürfte, hörte er, wie sich in seinem Rücken die Tür öffnete. Katie trat hinter ihn, schlang zärtlich die Arme um seine Taille und legte ihr Kinn auf seine Schulter.
    »Du erwartest einen Anruf, stimmt’s?«
    Kealey hob überrascht eine Augenbraue. Sie waren erst seit einem halben Jahr zusammen, und obwohl sie einmal kurz über seine frühere Tätigkeit geredet hatten, kam dieses Thema kaum je zur Sprache. Wieder einmal war er erstaunt, wie aufmerksam sie mitdachte.
    Er wandte sich um und strich ihr zärtlich über die Wange. Als er bemerkte, wie ihre besorgten blauen Augen seine Miene zu deuten versuchten, wurde ihm klar, dass er aufrichtig antworten musste.
    »Ja, du hast Recht, der Anruf kommt bestimmt. Fragt sich nur, ob ich zusagen soll oder nicht …« Er drehte sich um und blickte
auf die näher kommenden Gewitterwolken. »Ich weiß es einfach nicht.«
    Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss. »Du wirst zusagen.«
     
    Später fuhr Katie nach Orono, um an einem abends stattfindenden Physikseminar teilzunehmen. Kealey stand in der Haustür und beobachtete, wir sie nachlässig ihre Bücher auf die Rückbank warf, ihm noch einmal zuwinkte und in ihrem ramponierten Corolla davonbrauste. Sie konnte es nicht wissen, aber als um kurz vor acht das Telefon klingelte, erfüllte sich ihre Voraussage. Er zögerte einige Sekunden, nahm dann den Hörer ab.
     
    Es war noch finster, als Kealey am nächsten Morgen in seinem dunkelblauen BMW 645Ci auf dem Interstate 95 in Richtung Norden fuhr. Auf dem Küchentisch hatte er für Katie eine kurze Notiz mit einer Entschuldigung zurückgelassen. Vermutlich würde sie wütend auf ihn sein, wenn sie aus Orono zurückkam. Für eine Weile beschäftigte ihn dieser Gedanke ein bisschen, doch dann erfreute er sich an dem perfekten Fahrverhalten seines Autos und der vorbeiziehenden Landschaft.
    Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Laubdach des Waldes, und herbstlich rot und gelb gefärbte Blätter fielen auf das Dach des Wagens und die Straße. Er kam schneller als erwartet voran, und es dauerte nicht lange, bis er über den Tagesparkplatz des Bangor International Airport fuhr und die schwere Limousine über etliche Rüttelschwellen in die Tiefgarage manövrierte. Es war kurz nach halb acht, als eine trotz der frühen Stunde
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