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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American
Autoren: Andrew Britton
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Independence Avenue für knapp viereinhalb Kilometer in westlicher Richtung. Von seinem Beobachtungsposten aus hatte er eine gute Sicht auf zwei Ampeln. Die erste war fünfundsechzig Meter entfernt, die zweite befand sich über zweihundert Meter dahinter, deutlich außerhalb der Reichweite seiner Waffe.
    Aber die Ampeln fesselten seine Aufmerksamkeit nur für einen Augenblick, denn wichtiger als alles andere waren jetzt der Rushhour-Verkehr und das Wetter. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Ampeln auf eine für ihn günstige Weise umsprangen, und da seine Computerkenntnisse nicht gut genug waren, konnte er nicht unentdeckt in das System zur Steuerung der Verkehrsinfrastruktur eindringen. Verkehr und Wetter lie
ßen sich nicht beeinflussen, aber beide konnten den Verkehr zum Stillstand bringen.
    Sein Handy piepte, und er schaute auf das Display. Keine zwei Minuten, dann war die Zielperson hier.
     
    »Hey, was haben Sie am Wochenende vor?«
    Megan Lawrence hob eine Augenbraue und blickte ihren Partner Frank Benecelli an. Mittlerweile arbeiteten sie seit drei Monaten zusammen, und sie hatte den Eindruck, dass Benecelli seinen Mut zusammennahm und sie ein bisschen ausfragen wollte.
    »Warum?«, antwortete sie lächelnd. »Haben Sie Pläne für uns beide gemacht?« Benecelli errötete und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Lawrence fand es amüsant, dass ausgerechnet ein Amerikaner italienischer Abstammung so introvertiert und linkisch im Gespräch war, aber sie musste sich eingestehen, dass sie ihn irgendwie attraktiv fand. Trotzdem waren derlei Überlegungen hypothetisch, denn sie hatte Pläne für das Wochenende. Sarah würde am Samstag ihren sechsten Geburtstag feiern, und Mutter und Tochter freuten sich sehr darauf, den Tag gemeinsam zu verbringen.
    Sie strich sich ihr langes rotes Haar aus dem Gesicht und band es mechanisch zu einem Pferdeschwanz zusammen, wobei sie ihre Augen weiterhin auf den Verkehr richtete. Insgeheim rügte sie sich dafür, dass sie es sich gestattet hatte, ihre Gedanken abschweifen zu lassen. Für so etwas gab es in diesem Job keinen Raum. Außerdem hatte sie die nächsten beiden Tage frei und genug Zeit, um sich zu entspannen.
     
    »Mein Gott, sehen Sie sich dieses Wetter an«, jammerte Aidan. »An solchen Tagen erinnert man sich, dass Washington früher
ein Sumpf war, wo man sich die Malaria holen konnte.« Aber Senator Levy war in Gedanken woanders und starrte auf das vom Wind gepeitschte Wasser des beleuchteten Brunnens vor dem Kapitol. Seine Magenschmerzen hatten sich nicht gebessert seit dem Ende der Pressekonferenz, und er fragte sich, ob er seinen Arzttermin auf nächste Woche vorverlegen sollte. Noch besser wäre es vielleicht, diesen Job ganz an den Nagel zu hängen, dachte er. Für seinen ehrgeizigen jungen Berater würde es ein Schock sein, wenn er in den Ruhestand ging, für seine Frau dagegen die Entscheidung, die sie sehnlichst herbeiwünschte. In letzter Zeit hatte Elizabeth Anspielungen darüber gemacht, in ihr kürzlich erworbenes Haus in den Hügeln von Virginia zu ziehen, jenes Bundesstaates, dessen Bürger ihn in diese hohe Position gewählt hatten. Mit jedem verstreichenden Tag nahmen die Wünsche seiner Frau immer mehr den Charakter von Forderungen an.
    Levy konnte es ihr nicht übel nehmen, denn sie hatte während einer mittlerweile drei Jahrzehnte umspannenden politischen Laufbahn immer treu an seiner Seite gestanden. Das Haus vor den Toren von Charlottesville musste gründlich renoviert werden, und er konnte sich sehr an dem Gedanken erwärmen, dort mit seiner Frau zu leben und sie glücklich zu machen.
    »Mr Levy?«
    Aidans Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er schaute seinen Berater an.
    »Wir müssen über Ihr Gespräch mit dem Gouverneur reden, das für nächste Woche angesetzt ist. Er wird Sie nach der Finanzierung öffentlicher Schulen fragen, und deshalb sollten wir …«
    »Später, Kevin. Gönnen Sie einem alten Mann einen Moment Ruhe.« Levy lehnte sich zurück und schloss die Augen. Das
Trommeln des Regens auf dem Dach des Autos wirkte leicht einschläfernd, und er verlor sich wieder in Träumereien über den Ruhestand. Er nahm nicht wahr, wie das Fahrzeug durch eine riesige Pfütze fuhr, als es nach rechts in die Independence Avenue abbog.
     
    Nachdem der zweite Anruf eingegangen war, handelte der Mann in dem schwarzen Tahoe schnell und effektiv. Er nahm mit ruhiger Hand eine dünne Decke von dem neben ihm liegenden
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