Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane
Autoren: Frederick Forsyth
Vom Netzwerk:
Fundamentalistengebiet, und die Stammesangehörigen auf der Straße würden nicht auf seiner Seite stehen. Wenn die Gefangenen und der Leichnam weggeschafft wären, würde er die Wohnung noch genauestens nach irgendeinem Hinweis auf den Mann mit dem Handy durchkämmen.
    Brian O'Dowd war gebeten worden, während der Razzia auf der Treppe zu warten. Jetzt war er im Schlafzimmer und hielt den beschädigten Toshiba-Laptop in den Händen. Beide wussten, dass sie hier höchstwahrscheinlich ein Kronjuwel gefunden hatten. Sämtliche Pässe, alle Handys, jeder noch so unbedeutende Fetzen Papier, die Gefangenen und die Nachbarn – alles würde an einen sicheren Ort gebracht und gründlich ausgewertet und ausgequetscht werden. Aber zuerst der Laptop …
    Der tote Ägypter war optimistisch gewesen, wenn er angenommen hatte, das Gehäuse des Laptops nur verbeulen zu müssen, um die goldene Ernte zu vernichten. Selbst der Versuch, die Dateien zu löschen, hätte nichts gebracht. In Großbritannien und in den USA gab es Spezialisten, die mit größter Sorgfalt die Festplatte ausbauen und das Zeichengewirr auf der Oberfläche ablösen würden, und sie würden jedes Wort entdecken, das der Toshiba jemals enthalten hatte.
    »Ein Jammer – wer immer er war«, sagte der SIS-Agent.
    Razak grunzte. Seine Entscheidung war richtig gewesen. Hätte er länger abgewartet, wäre der Mann verschwunden gewesen. Hätte er erst im Gebäude herumgestöbert, wären seine Agenten entdeckt worden, und der Vogel wäre ausgeflogen. Also hatte er schnell und hart zugegriffen, und wenn er nur fünf Sekunden mehr Zeit gehabt hätte, wäre der geheimnisvolle Selbstmörder jetzt in Handschellen. Razak würde eine Presseerklärung herausgeben: Ein unbekannter Krimineller sei bei dem Versuch, sich der Festnahme zu entziehen, zu Tode gekommen. Bis der Tote identifiziert wäre. Sollte sich herausstellen, dass es sich um ein hochrangiges al-Qaida-Mitglied handelte, würden die Amerikaner auf einer Pressekonferenz mit Pauken und Trompeten bestehen, um diesen Triumph bekannt zu geben. Er ahnte immer noch nicht, wie hochrangig Tewfik al-Qur tatsächlich gewesen war.
    »Sie werden hier noch eine Weile festsitzen«, sagte O'Dowd. »Darf ich Ihnen den Gefallen tun, dafür zu sorgen, dass der Laptop wohlbehalten in Ihre Zentrale kommt?«
    Zum Glück besaß Abdul Razak einen trockenen Humor. In seinem Beruf war das eine große Hilfe. In der Welt der Geheimagenten blieb nur einer, der Humor hatte, bei Verstand. Was ihm jetzt besonders gefiel, war das Wort »wohlbehalten«.
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte er. »Ich gebe Ihnen vier Mann mit, die Sie zu Ihrem Wagen eskortieren. Für alle Fälle. Wenn das alles vorbei ist, müssen wir uns die unmoralische Flasche teilen, die Sie heute Abend mitgebracht haben.«
    Der SIS-Mann drückte den Schatz an seine Brust und wurde, umringt von pakistanischen Soldaten, zu seinem Land Cruiser gebracht. Die technische Einrichtung, die er benötigte, befand sich bereits hinten im Wagen, und am Steuer saß ein loyaler Sikh und bewachte Fahrzeug und Gerät.
    Sie fuhren an einen Ort außerhalb von Peschawar, wo O'Dowd den Toshiba mit seinem eigenen, größeren und leistungsfähigeren Tecra verband, und der Tecra öffnete eine Verbindung durch den Cyberspace zum britischen Communications Headquarter in Cheltenham in der Hügellandschaft der englischen Cotswolds.
    O'Dowd wusste, was er zu tun hatte, aber von der für einen Laien undurchschaubaren Zauberei der Cybertechnologie hatte er nur nebelhafte Vorstellungen. Innerhalb weniger Sekunden und über tausende Meilen hinweg hatte Cheltenham den gesamten Inhalt der Festplatte des Toshiba an sich gebracht. Es hatte den Laptop so gründlich ausgeweidet, wie eine Spinne die Säfte aus einer gefangenen Fliege saugt.
    O'Dowd fuhr den Laptop zur CTC-Zentrale und lieferte ihn ab. Aber noch ehe er dort ankam, hatte Cheltenham seinen Schatz an die amerikanische National Security Agency in Fort Meade in Maryland weitergeleitet. In Peschawar war es stockdunkel, in Cheltenham dämmerte der Abend, und in Maryland war es heller Nachmittag. Doch das bedeutete nichts. Im Innern des Government Communication Headquarters und der NSA scheint die Sonne nie. Dort gibt es weder Tag noch Nacht.
    Die Lauschanlagen in den ausgedehnten Gebäudekomplexen – beide in dörflichen Landschaften gelegen – überziehen den Globus wie ein Netz von einem Pol zum andern. Die Trillionen von Wörtern, die jeden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher