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Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen
Autoren: Mary Higgins Clark
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kann, wenn ihm danach ist. Es ist ein Kinderspiel, eine Anklageerhebung
zu erreichen, besonders in einem Fall, der große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt. Die Anklageerhebung bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass genügend Beweise vorhanden sind, die dem Staatsanwalt gestatten, die Sache voranzutreiben. Die Presse hat diesen Fall die ganze Zeit hochgejubelt. Natalie war ein Star, und jede Notiz über sie lässt die Auflage steigen. Und jetzt kommt dieser einschlägig bekannte Gauner Jimmy Easton daher, der gerade erst bei einem Einbruch auf frischer Tat ertappt wurde, und behauptet, Sie hätten ihn bezahlt, damit er Ihre Frau umbringt. Aber wenn es zum Prozess kommt und Sie freigesprochen werden, dann wird die Öffentlichkeit schnell das Interesse an der Sache verlieren.«
    »So, wie sie das Interesse an O. J. Simpson verloren hat, nachdem er vom Vorwurf, seine Frau ermordet zu haben, freigesprochen wurde?«, fragte Aldrich mit spöttischem Unterton. »Richard, Sie und ich wissen doch genau: Selbst wenn die Geschworenen auf nicht schuldig entscheiden  – und Sie sind viel optimistischer als ich, was das anbelangt  –, selbst dann wird dieser Fall nie abgeschlossen sein, es sei denn, der Kerl, der Natalie umgebracht hat, klopft eines Tages freiwillig an die Tür des Staatsanwalts und macht reinen Tisch. In der Zwischenzeit bin ich auf Kaution frei und muss meinen Pass abgeben, was wiederum bedeutet, dass ich das Land nicht verlassen kann, was für jemanden in meiner Branche eine Katastrophe ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich eine vierzehn Jahre alte Tochter habe, deren Vater für unabsehbare Zeit im Mittelpunkt der Schlagzeilen, im Fernsehen und im Internet stehen wird.«
    Richard Moore ersparte sich weitere Beschwichtigungsversuche. Gregg Aldrich, ein sehr intelligenter Realist, gehörte
nicht zu der Sorte von Mandanten, die sich davon beeindrucken ließen. Auf der einen Seite wusste Moore, dass die Staatsanwaltschaft keinen leichten Stand haben würde und von einem Zeugen abhängig war, den er im Kreuzverhör gehörig in die Mangel nehmen konnte. Auf der anderen Seite hatte Aldrich Recht. Nachdem er formell des Mordes an seiner Frau angeklagt war, würde er in den Augen vieler Leute immer unter dem Verdacht stehen, ein Mörder zu sein, gleichgültig, wie der Urteilsspruch ausfiel. Dennoch, befand Moore leicht sarkastisch, lieber wäre es mir, er hätte mit dieser Situation zu kämpfen, als dass er nach einer Verurteilung lebenslang ins Gefängnis müsste.
    Und war er nicht doch der Mörder? Es gab da etwas, was ihm Gregg Aldrich bisher verheimlichte. Dessen war sich Moore sicher. Er erwartete nichts von Aldrich, was einem Geständnis gleichkäme, und dennoch fragte er sich bereits einen Tag nach der Anklageerhebung, ob nicht irgendeine Information, die Aldrich bisher zurückgehalten hatte, beim Prozess bekanntwerden und ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnte.
    Moore blickte aus dem Seitenfenster. Es war ein hundsmiserabler Märztag, passend zur Stimmung im Wagen. Ben Smith, der seit fünfundzwanzig Jahren als Privatdetektiv und gelegentlich auch als Fahrer für ihn arbeitete, saß am Steuer. An seiner leicht geneigten Kopfhaltung konnte Moore erkennen, dass ihm kein Wort von dem entging, was zwischen ihm und Aldrich gesagt wurde. Bens ausgezeichnetes Gehör war für Moore von großem Vorteil, und er holte oft hinterher dessen Meinung ein, wenn er mit einem Mandanten Gespräche im Fond des Wagens geführt hatte.
    Vierzig Minuten lang fiel kein einziges Wort. Dann hielten sie vor dem Gebäude an der Park Avenue in Manhattan,
in dem Gregg Aldrich wohnte. »Tja, das war’s wohl, zumindest für den Augenblick«, sagte Aldrich, als er die Wagentür öffnete. »Richard, es war sehr liebenswürdig von Ihnen, dass Sie mich abgeholt und wieder zurückgebracht haben. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, hätte ich Sie auch irgendwo treffen können und Ihnen damit die Mühe erspart, hin und zurück über die Brücke fahren zu müssen.«
    »Nicht der Rede wert, und außerdem arbeite ich den restlichen Tag in meinem New Yorker Büro«, antwortete Moore. Er reichte ihm die Hand. »Gregg, denken Sie an das, was ich Ihnen gesagt habe.«
    »Ich habe es mir hinter die Ohren geschrieben«, antwortete Aldrich trocken.
    Der Portier eilte über den Bürgersteig, um ihm die Wagentür aufzuhalten. Als Gregg Aldrich einen Dank murmelte, sah er dem Mann in die Augen und erblickte dort die
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