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Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]

Titel: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben [microform]
Autoren: 1769-1843 Caroline Pichler , 1881-1925 Emil Karl Blümml
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sich bis in ihre letzten Tage jene geistige Regsamkeit und Tätigkeit, die ihr ein fester Schild gegen die Stürme des Ge-schickes waren, ,,nicht bloß durch Ableitung und Zer-streuung, sondern aktiv durch Innern Widerstand und stete Regsamkeit"^). Hier konnte sie aber, wenn die Gesellschaft nur aus dem engsten Familienkreis und höchstens einem oder zwei Freunden bestand, auch kindlich heiter werden, nachdem sie ihren Tee mit Milch getrunken. Anton Langer berichtet uns von einem solchen Abend, wo fröhliches Geplauder herrschte, man sich nach Tische mit einem Zusammen-legspiel bemühte, wobei Pichler Proben ihrer geistigen Regsamkeit gab, und schließlich über ihre Aufforde-rung ein ,,Tanzerl" gemacht wurde, zu dem Charlotte von Pelz ein am Klavier aufspielte, während die siebzig-jährige Dichterin selbst in taktmäßiger Grazie ein
    ^) Franziska v. Pelzeln, a. a. O., S. 54.
    2) Vgl. den Bericht Wilhelm v. Chezys: Denkwürdigkeiten II, S. 515, Anm. 295.
    3) Brief an Karoline v. Wolzogen vom 18. April 1840: Wolzogen, Literarischer Nachlaß, ^ II, S. 40c.
    Menuett ä la Reine, in seligem Gedenken an ihre Ju-gend, mit A. Langer tanzen wollte i).
    Am Bilde von Karoline Pichlers geselligem Leben würde aber etwas fehlen, wollte man nicht auch ihres Gartens gedenken, den Grillparzer verherrlicht hat {11, S. 115f.). Vom gepflasterten Hof ihres Hauses aus kam man durch ein hölzernes Staketentor in diesen, in dem sich ein gemauertes, fünf Fenster langes Pflanzenhaus und eine hölzerne Requisitenkammer be-fanden^). Von dem Vorgänger, Professor Hunczovsky angelegt, wurde er 1800 zu einem „Garten voll Ge-büsche, durch welche sich viele kleine, schmale Gänge schlängelten", hergerichtet (I, S. 226). Zwei große Nuß-bäume, 40 verschiedene Obstbäume, 7 Ficus carica L., 44 Weinstöcke, 6 hohe Rosen, i große Linde, 26 Ro-binien, 40 große Acer pseudoplatanus L., eine Menge Gesträuche und Zierpflanzen, im ganzen 206 größere Stücke, erfüllten ihn2), darunter auch zwei große Roßkastanien, in deren Schatten Karoline Pichler am liebsten saß^). In einer Laube dieSes Gartens empfing sie 1817 wiederholt Oehlenschläger (H, S. 470: 178). Im Grünen traf sie 1811 Reinbeck (II, S. 586: 500) und hier entstand manche ihrer Novellen und man-cher Aufsatz so wie einst ein Großteil der „Gleich-nisse" und viele Gedichte im Garten des Hernalser Landhauses gedichtet wurden (I, S. 2i6f.). Sie war immer viel im Garten, der aber nicht nur Zier-sträuche und Obstbäume, sondern auch Küchenge-wächse und ein köstliches Erdbeerbeet mit Ananaserd-
    ^) Bäuerles Allgemeine Theaterzeitung, 1843, S. 749 f-
    ^) Vgl. die Hausbeschreibung und Gartenschätzung (Protokoll)
    vom 2. September 1843 i^ Pichlers Nachlaßakt (Archiv des Wiener
    Landesgerichtes. Fasz. II, Nr. 238 ex 1843). ^) Franziska v. Pelzeln, a. a. O., S. 54.
    beeren barg^). Hier traf sie in ihren alten Tagen (nach 1839) eines Nachmittags Anton Langer, die Münche-ner „Allgemeine Zeitung" lesend, da sie noch immer an den politischen Ereignissen Europas regen Anteil nahm. Sie erzählte ihm lebhaft und anschaulich^» Denis, H. V. Collin, Z. Werner, Gluck, Mozart, Ha^n und Salieri, von den Ereignissen des Jahres 1809 und von Erzherzog Karl und als sie einen kleinen Spaziergang durch den Garten unternahmen, da nannte sie ihm dessen Pflanzen mit deutschen und lateinischen Namen und zitierte betreffs ihres Küchengartens Stellen aus Horaz (lib. Epod. Od. II). Unter der großen, weithinschattenden Kastanie,' ihrem Lieblingsplätzchen, setzten sie sich und plauderten über neuere .Literatur, wobei sich Pichler gegen Lenau, dessen Weichheit und Wehmut ihr mißfiel, aussprach, wohingegen ihr Grüiis mutige und edle Männlichkeit, dessen „Mannesträne" sie rezitierte, gefiel. Ein fröhliches Erdbeersuchen, an dem auch Karoline v. Pelzein und deren Kinder teil-nahmen, bildete den Abschluß dieser Szene im Garten 2), der mit der Besitzerin alt, unmodern und einsam ge-worden war. Er hatte seinerzeit Pichlers Glanzzeit gesehen und sah jetzt ihre letzten Jahre, wo sie ver-einsamt im Kreise der Familie, nur mehr von wenigen Freunden besucht, lebte.
    Aus diesem trauten Familienleben, aus diesem engen Freundeskreis riß Karoline Pichler im Mai 1843 eine schwere, wenn auch nicht unvermutet eingetretene Krankheit, von der sie nicht mehr genesen sollte. Zwar
    1) Brief an Grillparzer vom 19. Mai 1819: A. Sauer, Grillparzers Werke III, i, (Wien 1913), S. i88f.; A. Langer, a. a. O., 1843, S.
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