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Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt
Autoren: Catherine Coulter
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wäre so furchtbar, dass er einfach zusammenklappen und sterben müsste. Er schluckte schwer und wünschte, es wäre noch gestern Nacht, vor vier Uhr morgens, bevor er diesen Anruf von Inspektor Vincent Delion vom SFPD, dem Polizei-Department von San Francisco, erhalten hatte.
    »Schon gut«, sagte Savich ruhig, trat zu ihm und nahm ihn sanft beim Arm. »Komm rein, Dane. Ja, genau, machen wir die Tür zu.«
    Dane stieß die Tür mit einem Fußtritt zu und meinte dann mit betäubter, hohler Stimme: »Man hat ihn ermordet. Mein Bruder wurde ermordet.«
    Savich war entsetzt. Schlimm genug, wenn einem der Bruder durch natürliche Ursachen wegstarb, aber das? Savich sagte: »Mein tiefstes Beileid. Ich weiß, dass du deinem Bruder sehr nahe standest. Bitte setz dich doch, Dane.«
    Dane schüttelte den Kopf, aber Savich führte ihn kurzerhand zu einem Stuhl und drückte ihn sanft darauf nieder. Dane saß mit kerzengeradem Rücken da und blickte ins Leere, dorthin, wo man vom Fenster aus einen Blick auf das Justizgebäude hatte.
    Savich sagte: »Dein Bruder war Priester, nicht wahr?«
    »Ja, das ist er - war er. Ich muss mich jetzt um alles Nötige kümmern, weißt du.«
    Dillon Savich, Chef einer Spezialeinheit für besondere Täterermittlung beim FBI, nahm unweit von Dane auf der Schreibtischkante Platz. Er beugte sich vor, drückte Dane die Schulter und sagte: »Ja, ich weiß. Eine furchtbare Sache, Dane. Natürlich musst du hin und dich um alles kümmern. Du bekommst selbstverständlich bezahlten Urlaub. Er war dein Zwillingsbruder, nicht wahr?«
    »Ja. Wir waren eineiige Zwillinge. Er ist mein Spiegelbild. Obwohl wir von der Art her sehr unterschiedlich waren, waren wir auf gewisse Weise doch sehr gleich. «
    Savich konnte sich kaum vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man seinen Zwillingsbruder verliert. Dane war seit fünf Monaten bei der Einheit, hatte sich auf eigenen Wunsch und auf ausdrückliche Empfehlung von Jimmy Maitland, Savichs Vorgesetztem, von Seattle hierher versetzen lassen. Maitland hatte Savich erzählt, dass er den Mann schon eine ganze Weile im Auge gehabt habe. Ein guter Mann, meinte er, blitzgescheit, ohne falsche Skrupel, hartnäckig, wenn auch manchmal ein wenig draufgängerisch, was nicht allzu gut war, aber ansonsten das, was man als »treue Seele« bezeichnet. Wenn Dane Carver einmal sein Wort gab, konnte man die Sache als so gut wie erledigt betrachten.
    Er hatte, wie Savich wusste, am 26. Dezember, zwei Stunden nach Mitternacht, Geburtstag. Auf der Betriebsweihnachtsfeier am dreiundzwanzigsten hatte er jede Menge alberner Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke bekommen. Er war dreiunddreißig geworden.
    Savich sagte: »Wie gut sind die Cops dort? Haben sie schon was? Nein, Moment mal, ich weiß ja gar nicht, wo dein Bruder lebt. «
    »In San Francisco. Ich habe heute Morgen kurz vor vier zwei Anrufe gekriegt, einen von einem Inspektor Delion vom SFPD, dann zehn Minuten später von meiner Schwester Eloise, unten aus San José. Delion sagt, man hat ihn spät nachts im Beichtstuhl ermordet. Kannst du dir das vorstellen, Savich?« Jetzt endlich sah Dane seinem Boss in die Augen, und dieser las darin eine Wut, die fast an Irrsinn grenzte. Außer sich schlug Dane mit der Faust auf die Stuhllehne. »Kannst du dir vorstellen, dass ihn irgend so ein Arschloch einfach im Beichtstuhl umgenietet hat? Um Mitternacht? Was musste er auch um Mitternacht noch die Beichte abnehmen!«
    In diesem Moment fürchtete Savich, Dane würde zusammenbrechen. Er keuchte wie ein Blasebalg, die Pupillen geweitet, die Hände zu Fäusten geballt. Es war knapp, aber er fing sich wieder. Etwas wie ein Schluchzer entrang sich seiner Brust, dann hielt er einen Moment die Luft an, um dann ein paar Mal tief ein- und auszuatmen. Savich sagte: »Nein, unsereins kann so was nicht verstehen; das macht wohl bloß für den Mörder einen Sinn. Und wir werden rauskriegen, wer das getan hat, und warum. Nein, bleib ruhig noch einen Moment sitzen, Dane, und lass uns überlegen. Dein Bruder hieß Michael, ja?«
    »Ja, Vater Michael Joseph Carver, so hieß er. Ich muss nach San Francisco. Ich kenne das dortige Revier vom Hörensagen. Haben einen guten Ruf, die Jungs, aber sie kannten meinen Bruder nicht. Nicht mal meine Schwester kannte ihn wirklich. Nur ich kannte ihn. Mein Gott, ich hätte nie gedacht, dass ich das je sagen würde, aber es ist wahrscheinlich besser, dass meine Mutter letztes Jahr gestorben ist. Sie hat sich immer gewünscht,
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