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Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt
Autoren: Catherine Coulter
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unwichtig, zumindest für Sie. Wissen Sie, dass Sie mir was geschenkt haben, was ich nie zuvor in meinem Leben hatte?«
    »Und das wäre?«
    »Spaß, Vater. Hab noch nie im Leben solchen Spaß gehabt. Bis auf das hier, vielleicht.«
    Er wartete, bis Vater Michael Joseph ihn durch das Drahtgitter ansah. Dann schoss er dem Priester eine Kugel mitten durch die Stirn. Man hörte lediglich ein lautes Ploppen, da er einen Schalldämpfer aufgeschraubt hatte. Dann senkte er nachdenklich die Pistole. Vater Michael Joseph war mit dem Rücken gegen die Holzwand des Beichtstuhls gesunken, den Kopf nach hinten geneigt, so dass man sein Gesicht deutlich sehen konnte. In der Miene des Priesters zeichnete sich keinerlei Überraschung ab, aber etwas anderes, etwas Unbegreifliches. Mitleid? Nein, ganz gewiss nicht. Der Priester hatte ihn verabscheut, aber jetzt war er bis in alle Ewigkeit zum Schweigen verdammt, könnte nie mehr zur Polizei gehen, ja, nicht einmal einen so drastischen Schritt unternehmen, wie sein Priesteramt niederzulegen. Es war aus mit ihm. Kein Hintertürchen mehr.
    Jetzt brauchte sich Vater Michael Joseph über nichts mehr Gedanken zu machen. Sein zartes Gewissen konnte ihn nicht länger peinigen. Gab es einen Himmel? Falls es so war, blickte Vater Michael Joseph ja vielleicht auf ihn herab und wusste, dass es nichts gab, das er noch tun konnte. Oder vielleicht schwebte der Geist des toten Priesters ja noch verdattert über seiner Leiche und beobachtete alles.
    »Leben Sie wohl, Vater, wo immer Sie auch sein mögen«, sagte er und erhob sich.
    Als er sich aus dem Beichtstuhl zwängte, die Tür behutsam hinter sich schließend, wurde ihm plötzlich klar, was für ein Ausdruck das auf dem toten Gesicht des Priesters war -er sah aus, als hätte er gewonnen. Aber das war unsinnig. Was sollte er gewonnen haben? Der gute Pfaffe hatte soeben das Zeitliche gesegnet. Er hat, verflucht noch mal, gar nichts gewonnen.
    Es war niemand in der Kirche, nicht, dass er das erwartet hätte. Überall Totenstille. Es hätte ihm gefallen, wenn von oben der leise Gesang eines gregorianischen Chors herabgetönt hätte. Aber nein, da war nur das Echo seiner Schritte auf den kalten Steinplatten.
    Wieso sah der verdammte Priester so glücklich aus? Er war tot, verflucht noch mal.
    Mit raschen Schritten verließ er die Sankt-Bartholomäus-Kirche, blieb draußen einen Moment stehen, um tief die kühle Nachtluft einzuatmen, den Kopf in den Nacken zu legen und den Blick hinauf zu den Sternen schweifen zu lassen. Es war eine schöne, sternenklare Nacht, genau so wie es sein sollte. Von dem Mond war nicht viel zu sehen, aber das war schon in Ordnung. Er würde heute schlafen wie ein Murmeltier. Auf der anderen Straßenseite lehnte ein Betrunkener an einer mickrigen Eiche, die auf dem Grünstreifen am Rande des Gehsteigs wuchs. Sein Kinn war auf die Brust gesunken. Nicht gerade so, wie es sein sollte, aber wen kümmerte das schon? Der Typ hatte keinen Pieps gehört.
    Die Bullen würden sich erfolglos die Köpfe zerbrechen. Die Antwort würden sie ja doch nicht finden. Der Priester hatte dafür gesorgt, dass er seine Pläne ändern musste, und das war schade. Nun ja, es wäre sowieso fast geschafft gewesen.
    Aber dieser Ausdruck auf dem Gesicht des Pfaffen, der gefiel ihm gar nicht. Aber daran wollte er im Moment nicht denken.
    Pfeifend schlenderte er die Filmore entlang, dann noch einen Block bis zu seinem Auto, das er dort in einen engen Parkplatz gezwängt hatte. Aber auch das war so, wie es sein sollte. Immerhin war dies San Francisco.
    Blieb nur noch eines. Er hoffte, dass sie zu Hause war und nicht arbeitete.

2
    Washington D.C.
    Spezialagent Dane Carver sagte zu seinem Boss, dem Leiter der Abteilung, Dillon Savich: »Ich hab da ein Problem, Savich. Ich muss nach Hause. Mein Bruder ist letzte Nacht gestorben.«
    Es war noch früh, erst halb sieben an einem eiskalten Montagmorgen, gerade mal zwei Wochen nach Neujahr.
    Savich erhob sich langsam aus seinem Sessel, den Blick unverwandt auf Danes Gesicht geheftet. Der Mann war bleich, und unter seinen Augen lagen so tiefe Schatten, dass man meinen könnte, er habe eine Sauftour hinter sich. Auf seinen Zügen lag ein Ausdruck von Schock und tiefer Verzweiflung. »Was ist passiert, Dane?«
    »Mein Bruder -« Einen Moment lang konnte Dane nicht weitersprechen, nur stumm im Türrahmen verharren. Er hatte das todsichere Gefühl, wenn er es jetzt laut aussprach, würde es Wirklichkeit werden, und das
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