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Denen man nicht vergibt

Titel: Denen man nicht vergibt
Autoren: Catherine Coulter
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hatte es im Chronicle gelesen. »Sie haben Thomas Gavin ermordet. Einen AIDS-Aktivisten, der in dieser Stadt nur Gutes getan hat.«
    »Hatten Sie was mit ihm, Vater?«
    Die Frage schockierte ihn nicht, schon seit zwölf Jahren schockierte ihn kaum mehr etwas, aber überrascht war er schon. Diese Tour war neu. Er sagte nichts, wartete nur.
    »Kein Protest? Schweigen Sie ruhig, wenn Sie wollen. Ich weiß, dass Sie nichts mit ihm hatten. Sie sind nicht schwul. Aber Tatsache ist, es war Zeit für den Burschen, zu sterben.«
    »Es gibt keine Absolution für Sie, nicht ohne aufrichtige Reue.«
    »Wieso überrascht mich das nicht? Thomas Gavin war bloß noch so ein erbärmlicher Wicht, der vom Erdboden getilgt gehörte. Wollen Sie was wissen, Vater? Er war gar nicht wirklich real.«
    »Was soll das heißen, nicht real?«
    »Das, was ich gesagt habe. Er hat gar nicht richtig existiert, wissen Sie? Er war nie richtig hier - hat bloß in seiner eigenen kleinen Welt gelebt. Ich hab ihm da rausgeholfen. Wussten Sie, dass er AIDS hatte? Hatte es gerade erst erfahren. Hat ihn wahnsinnig gemacht. Aber ich habe ihn gerettet, habe ihn von seinem erbärmlichen Leben befreit, das ist alles. Ganz schön nobel von mir. So ’ne Art Sterbehilfe, wenn Sie so wollen.«
    »Es war ein abscheulicher, kaltblütiger Mord, und das wissen Sie genau. Ein Mensch aus Fleisch und Blut ist tot, und daran sind nur Sie schuld. Versuchen Sie nicht, Ihre Tat zu entschuldigen.«
    »Ach, das war doch nur eine Metapher, Vater, keine Entschuldigung. Sie sind ja richtig sauer. Krieg ich denn jetzt keine Buße aufgebrummt? Tausend Rosenkränze vielleicht? Oder soll ich mich geißeln? Wollen Sie denn nicht, dass ich
    Sie anflehe, beim lieben Gott ein gutes Wort für mich einzulegen?«
    »Tausend Rosenkränze würden nichts nützen.« Vater Michael Joseph beugte sich näher ans Gitter, sodass er das Böse dort drüben beinahe berührte, den warmen Atem des Mannes riechen konnte. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Das hier ist keine richtige Beichte, es ist eine Verhöhnung des Sakraments. Sie glauben vielleicht, dass ich unter allen Umständen das Beichtgeheimnis zu wahren habe, dass ich nichts weitergeben darf, was ich an diesem Ort erfahre. Aber Sie irren sich. Das Sakrament der Beichte beinhaltet, dass man seine Sünden aufrichtig bereut, dass man die Absolution ersehnt. Das alles tun Sie nicht. Deshalb bin ich auch nicht an das Beichtgeheimnis gebunden. Ich werde mit meinem Bischof über Sie reden. Und selbst wenn er mir nicht beipflichten sollte, bin ich sogar bereit, nötigenfalls meinen Priesterrock abzulegen. Und dann werde ich allen erzählen, was Sie getan haben. Ich werde dem ein Ende bereiten.«
    »Sie würden mich wirklich an die Bullen verpfeifen? Das ist ganz schön mutig von Ihnen, Vater. Wie ich sehe, sind Sie wirklich stinksauer. Ich wusste nicht, dass es da ein Hintertürchen im Beichtgeheimnis gibt. Eigentlich wollte ich ja, dass Sie mich anflehen, Himmel und Hölle auf mich herabrufen, nur um festzustellen, dass Sie gar nichts machen können, Null, und dass Sie sich deswegen vollkommen zerfleischen. Aber wer kann schon im Voraus sagen, wie ein Mensch reagiert?«
    »Man wird Sie für den Rest Ihres Lebens in eine Anstalt stecken.«
    Der Mann unterdrückte ein Lachen, brachte einen überzeugenden Seufzer zustande und meinte dann, immer noch lachend: »Wollen Sie damit andeuten, dass ich sie nicht mehr alle habe, Vater?«
    »Nicht nur das. Ich halte Sie für einen Psychopathen, nein, ich glaube, die korrekte Bezeichnung für Ihre Störung ist Soziopath, nicht wahr? Hört sich nicht ganz so hässlich, nicht ganz so gewissenlos an, nein? Aber egal, was immer Sie sind, es ist schlimmer als jedes Wort, das die Medizin dafür benutzt. Ihre Mitmenschen sind Ihnen vollkommen gleichgültig. Sie brauchen dringend Hilfe, obwohl ich bezweifle, dass Ihnen noch zu helfen ist. Hören Sie jetzt endlich auf mit diesem Irrsinn?«
    »Möchten Sie mich vielleicht erschießen, Vater?«
    »Nein, ich bin nicht wie Sie. Aber ich werde dafür sorgen, dass man Ihren Schandtaten ein Ende macht, ein für allemal.«
    »Ich fürchte, ich kann nicht zulassen, dass Sie zu den Bullen rennen, Vater. Ich versuche, es Ihnen nicht übel zu nehmen, dass Sie sich nicht so verhalten, wie Sie sollten. Also gut, ja. Es ärgert mich schon ein bisschen, dass Sie sich nicht so benehmen, wie Sie sollten.«
    »Was soll das heißen - ich benehme mich nicht so, wie ich soll?«
    »Das ist
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