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Den Tod vor Augen - Numbers 2

Den Tod vor Augen - Numbers 2

Titel: Den Tod vor Augen - Numbers 2
Autoren: Rachel Ward
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dann wieder weg, ohne etwas zu sagen, wie Fremde.
    Aber ein kurzer Augenkontakt reicht mir, um ihre Zahlen zu sehen – die unterschiedlichen Daten, die ihr Lebensende markieren.
    Nur dass sich diese Zahlen kaum unterscheiden. Fünf von ihnen enden auf 012028 und zwei sind sogar völlig identisch: 01012028.
    Mein Herz pocht jetzt in meiner Brust, mein Atem geht flach und schnell. Ich fasse erneut in meine Tasche und fingere nach dem Notizbuch. Meine Hände zittern, doch ich ziehe das Buch heraus und schlage es an der richtigen Stelle auf.
    Den Leuten hier geht es wie dem Mann bei der Essensausgabe – sie haben nur noch sechs Monate zu leben.
    Sie werden nächstes Jahr im Januar sterben.
    Und sie werden in London sterben.

SEPTEMBER 2027 – SARAH
    »Du weißt, wieso du hier bist. Es ist nicht das, was du gewohnt bist, aber uns bleibt keine andere Wahl. Hier wird deine Aufsässigkeit nicht geduldet – dein Zuspätkommen. Dein Schuleschwänzen oder diese ewigen patzigen Antworten. Das hier ist deine Chance, noch mal neu anzufangen, es diesmal richtig zu machen und dich auf den Hosenboden zu setzen. Bitte, Sarah, enttäusch uns nicht, enttäusch dich selber nicht.«
    Blablabla. Immer wieder das Gleiche. Ich ließ es auf mich niederrieseln, zu müde, um zuzuhören. Ich hatte die letzte Nacht kaum geschlafen, und als ich doch einschlief, hatte ich wieder diesen Albtraum gehabt und musste mich aufwecken. Danach lag ich wach und horchte auf die Geräusche, die ein Haus nachts von sich gibt, bis es hell wurde.
    Ich antworte Ihm nicht, verabschiede mich nicht mal, als ich aus Seinem Mercedes steige. Ich knall bloß die Wagentür zu. Innerlich seh ich Ihn zusammenzucken, hör Ihn fluchen, und fühl mich ein bisschen besser, zumindest für den Moment.
    Der Mercedes hat die Aufmerksamkeit der Leute auf sich gezogen wie immer. Kommt nicht jeden Tag vor, dass jemand mit dem Auto zur Schule gebracht wird, schon gar nicht mit so einer Benzinschleuder wie Dads. Jetzt nehmen die Leute mich unter die Lupe. Super. Ich bin schon als Außenseiterin gebrandmarkt, bevor ich überhaupt angefangen habe. Aber egal, was geht das mich an?
    Jemand pfeift und säuselt mir gedehnt und leise ein »Geiiiiil!« zu.
    Eine Gruppe von Jungs – sechs oder sieben – ist stehengeblieben und starrt mich an. Sie betrachten mich von oben bis unten und lecken sich die Lippen wie hungrige Wölfe. Wie soll ich mich fühlen? Eingeschüchtert? Geschmeichelt? Vergiss es. Ich zeig ihnen den Stinkefinger und geh durch den Eingang.
    Nicht schlecht für eine staatliche Schule, denk ich. Zumindest ist alles neu, nicht versifft, wie ich es erwartet hatte. Aber sie ist nur deshalb neu, weil das letzte Gebäude während der Aufstände 2023 in Flammen aufging und die Schule immer noch einen gewissen Ruf hat. Forest Green = beinharte Führung, beinharte Schüler. Ich hatte Muffensausen, als Mum und Dad sagten, sie hätten mich angemeldet, aber dann dachte ich: Was soll’s? Eine Schule ist wie die andere. Schule, Zuhause – ist doch eh alles bloß Gefängnis, oder? Alles nur da, um dich kleinzukriegen. Es spielt keine Rolle, wo ich hingehe – mein Kopf gehört mir, niemand kann ihn kontrollieren.
    Und egal, wohin sie mich schicken, lange werde ich sowieso nicht bleiben. Ich hab andere Pläne, also einen großen Plan oder sagen wir, einen kleinen, der aber immer größer wird. Und das bedeutet, ich muss anfangen, selber zu denken, selber zu planen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
    Ich muss mir mein Leben wieder zurückholen.
    Ich kann nicht länger warten.
    Ich muss weg.

ADAM
    Ich hab damit nicht angefangen. Ich war das nicht.
    Als ich am Morgen losging, hatte Oma gesagt, ich solle mich aus allem raushalten. Das hatte ich auch vor. Ich wollte einfach nur hin, mich registrieren lassen, tun, was von mir verlangt wurde, und dann wieder zurück in Omas Wohnung.
    Ich weiß, dass es dort eine Menge Achtundzwanziger geben wird. Wo ich auch bin, überall sind Massen an Achtundzwanzigern. Den ganzen Sommer über habe ich sie gesehen. Die Einträge in meinem Notizbuch zeigen überall, wo ich gewesen bin, das gleiche Bild.
    Kilburn High Road: 84 .
    Der Schnapsladen, Sherry für Oma: 12.
    Es sind so viele, dass ich die Details gar nicht mehr aufschreibe. Das geht nicht. Ich notiere nur noch, wie viele ich wieder gesehen habe. Genaueres schreibe ich bloß noch bei Leuten auf, deren Datum anders ist oder wenn ich ihren Namen kenne. Danach fühl ich mich besser, ein
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