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Den Finger am Abzug

Den Finger am Abzug

Titel: Den Finger am Abzug
Autoren: Mark E. Carter
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geputzt. Frank ist etwa Mitte dreißig, trägt seine dunklen Haare im Nacken länger, hat eine drahtige Figur bei einer Körpergröße die gerade ausreicht, um Leute wie einen Dustin Hoffman oder Tom Cruise zu überragen und ist Berufssöldner.
    Ein guter Soldat. Jemand, dessen Ratschlä ge man gerne annimmt.
    Geplant ist ein Ausflug in Richtung Westen, um die Aktivitä ten des Feindes zu erfassen. Wir drei hatten uns gemeldet, da jeder von uns nach einer knappen Woche im Lager endlich wieder raus möchte. Eine kleine Gruppe von rund zehn Mann soll unter der Führung eines Engländers die Stellungen der Serben auskundschaften.
    Joe zieht ein ungepflegt wirkendes Mä dchen zu sich auf den Schoß, krallt seine Finger in ihre üppigen Brüste, die sich unter einem schmutzigen roten Pulli abzeichnen, und sagt lachend: „Nau, Lust auf an Dreier? I man, an Vierer. In Mathe woar i scho immer schlecht gwes´n.“
    Wir lachen und lassen unsere Bierdosen aneinander krachen.
     
    Es ist 0600, sechs Uhr morgens, und wir treten an. Der Weg fü hrt uns durch ein kleines Tal inmitten eines riesigen Waldgebietes. Unsere Gruppe läuft hintereinander, um bei Feindkontakt möglichst schnell Deckung zu finden oder im Falle eines Hinterhalts die Verluste gering zu halten. Niemand spricht, denn obwohl nach den vorliegenden Informationen die Stellungen der Serben erst in ungefähr zwei Kilometern beginnen, muss man jederzeit mit Feindberührung rechnen. Nach einer halben Stunde beginnt das Gelände offener zu werden. Plötzlich hebt Tom, der englische Kommandant unseres Trupps, die Hand und ballt sie zur Faust, das Zeichen für Gefahr.
    Wir verteilen uns.
    Ich hocke abseits des Weges im dichten Laub, die Waffe im Anschlag. Tom starrt in seinen Feldstecher. Einen kurzen Moment später zieht er sich zurück und murmelt etwas von einem „Dead Body“, während sein Handzeichen uns daran erinnert, dass eine falsche Entscheidung tödlich enden kann. Wir schwärmen aus. Im Schutz der Bäume arbeitet sich unsere Gruppe zum Waldrand vor. Von dort aus sehe ich in dreißig Metern Entfernung den „Dead Body“: Zwei tote Zivilisten, vermutlich Flüchtlinge, liegen nebeneinander. Ihr inzwischen verfärbtes Fleisch wurde teilweise von Tieren angefressen. Dem toten Hund neben den Leichen nach zu urteilen, versuchten sich streunende Hunde von ihnen zu ernähren. Da auch das Tier erschossen wurde, bedeutet dies, dass sich Scharfschützen in der Nähe befinden und damit auch die serbischen Stellungen. Der intensiv süßliche Geruch des verwesenden Fleisches ist beinahe unerträglich. Ich entschließe mich durch den Mund zu atmen, um mir das Kotzen zu ersparen.
    Die Drei starben vö llig unnötig und wahrscheinlich war dem Scharfschützen nur langweilig. Diese Menschen waren ihm eine willkommene Abwechslung, ebenso der Hund, der seinen Hunger stillen wollte.
    Hunde sind in diesem Krieg ein Problem, da sie an Hunger leiden und ein Rudel wilder Hunde kann vor allem fü r Zivilisten gefährlich werden. Vor allem, wenn der Hunger diese Tiere zu aggressiven Bestien macht.
    Wenn ich daran denke, dass diese verwahrlosten, winselnden Tiere noch vor wenigen Monaten verhä tschelte Familienmitglieder waren, die mit den Kindern glücklicher Paare im Garten spielten, nun gefährliche Bestien sind, könnte ich heulen. Bei manchen kann man noch das Halsband erkennen, ein Relikt aus besseren Zeiten. Ein Blick in die Augen dieser Hunde verrät einem ihre Angst vor dem eigenen Schicksal. Diesen Blick sehe ich häufig. Nicht nur bei Hunden, auch bei Flüchtlingen, überlebenden Dorfbewohnern, oder Soldaten.
     
    Vor einigen Wochen trafen wir auf einen toten Kämpfer der UCK. Man band ihn an einen Baum. Mit einem Messer schnitten sie seinen Bauch auf. Es ist ein beliebtes Vorgehen der serbischen Armee, um den Gegner zu demoralisieren. Sie wollen uns damit eine Botschaft schicken. „Hey, wir fangen euch und schneiden euch in Stücke. Dann könnt ihr dabei zusehen, wie die Gedärme herausquellen und ihr langsam daran verreckt!“
    Das Schreckliche ist, dass man bei lebendigem Lei be aufgefressen wird, denn Hunde, Füchse oder Ratten werden vom Geruch schnell angelockt. Das Opfer muss dann mit ansehen, wie einem die Tiere auffressen, während man sich vor Schmerzen die Seele aus dem Leib schreit. Solche Aktionen sollen den Feind abschrecken und die Wirkung ist grandios! Auch das Pfählen zählt zu dieser Strategie. Oder Massenexekutionen.
    Aus einiger Entfernung sahen wir
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