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Den Finger am Abzug

Den Finger am Abzug

Titel: Den Finger am Abzug
Autoren: Mark E. Carter
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Reise und ich dämpfe sie aus. Die gustatorische Wahrnehmung wird von solchen Störfaktoren schnell auf das Minimum ihrer Möglichkeiten reduziert. „Gustatorische Wahrnehmung“, der Geschmacksinn, ein langweiliger Begriff für eine solch herrliche Fähigkeit! Woran dachte ich vorhin? Richtig, an gut gemeinte Ratschläge.
    Spä testens, wenn die Schreie eines Kameraden, der eine vom Feind hastig eingegrabene Miene übersah, noch nach Stunden einem in den Ohren widerhallen, klopft irgendwo im Kopf eine dieser schlauen Synapsen an dein Bewusstsein und wedelt mit der neuesten Ausgabe der „Regeln für den Ernstfall“.
    „ Wachsamkeit ist schon o.k. als Regel Nr. 1“, murmle ich mir zu, wahrscheinlich um mich mal wieder zu beruhigen und ziehe an einer neu angezündeten Zigarette.
    Einmal mehr versuche ich den Dä mon „Krieg“ mit einem Schokoriegel zu besänftigen.
    Gerade in der Nacht wiegt die Angst vor Ü berraschungsangriffen besonders viel und den Preis für Sicherheit begleicht die Währung »wenig Schlaf«.
    Gelä chter betrunkener Soldaten aus einem der umliegenden Zelte dringt zu mir herüber und aus einiger Entfernung vernehme ich das Geräusch von schweren Stiefeln auf steinigem Boden. Es ist nach Mitternacht und mit dem Alkohol steigt der Aggressionspegel an. Ich habe keine Lust auf eine Schlägerei oder Ähnliches und entschließe mich, meine Kameraden aufzusuchen.
    Natü rlich sind die kroatischen Soldaten froh, dass Söldner sie bei „ihrer Sache“ unterstützen. Doch wenn der Alkohol zunimmt, kommt es schon mal vor, dass eine Gruppe besoffener Kroaten in jedem Söldner einen Nazi sieht und ihr Ventil in einer Schlägerei sucht. Auch homosexuelle Übergriffe erlebt man ab und an, verübt an Zivilisten und unter Soldaten. Erst letzte Nacht machten mir die Schreie eines jungen Rekruten das Schlafen unmöglich. Die in einem erstickten Gurgeln endenden Hilferufe waren schlimm anzuhören. Vergewaltigungen finden eher gruppenübergreifend statt, zumindest habe ich noch nicht erlebt, dass es innerhalb der gleichen Truppe zu solchen Dingen gekommen ist. Warum ich ihm nicht geholfen hatte? Aus welchem Grund sollte ich? Schließlich ist es sein Arsch und nicht meiner, und außerdem hatten wir nicht Seite an Seite gekämpft. Jeder ist für sich verantwortlich. So ist es unter Tieren.
    Mein Kopf neigt sich nach oben und ich nicke den Sternen zu, ein kurzer Gruß zum Dämon des Krieges.
     
    Ich schnappe mir meine Waffen. Ein Messer, meine Kalaschnikow und eine Pistole der Marke „Makarow“ im Kaliber 9mm, die ich einem toten Serben vor wenigen Wochen abnahm. Langsam stehe ich auf und mache ich mich in die nahe gelegene Stadt auf.
    Die serbische Armee belagert Bihac bereits seit einigen Monaten. Bis auf einen Korridor im Sü den, der von der kroatischen Armee kontrolliert wird. Von dieser Seite gelangen die Flüchtlinge aus Bosnien in die Stadt.
    Durch die Vertriebenen, die hier Schutz suchen, nimmt auch die Zahl der Bordelle in Bihac zu. In einem davon treffe ich meine Freunde Joe und Frank. Diese „ Bordelle“ sind im Grunde nichts anderes als normale Kneipen in denen Frauen für billige Dollars zu haben sind. Ein Söldner verdient gut am Krieg und fünfzig Dollar für einen Fick ist nicht viel Geld, wenn man dafür etwas von dem Druck abbauen kann, der einem das Hirn zu sprengen droht.
    J e nach Einsatz bekommt man als Söldner ein paar tausend Dollar. Die Bedingung dabei ist, dass es Feindkontakte gab. Blutgeld, wenn man so will. Der Tod lässt die Kasse klingeln, es ist schließlich Krieg und da ist der Abschuss die härteste Währung. Es soll Einheiten geben, wo eine „Kopfprämie“ bezahlt wird, also nach der Zahl der erschossenen Gegner. In solchen Fällen werden Körperteile als Beweis vorlegt. Abgeschnittene Ohren oder Nasen sind hier üblich und der Soldat bewahrt sie in einem Beutel auf. Geschichten, die man regelmäßig an der Front hört. Natürlich gehört zur Bezahlung eines Söldners auch die sogenannte Kriegsbeute. Dazu zählt alles, das er im eroberten Gebiet einstecken kann. Plünderungen sind daher so normal wie das morgendliche Pinkeln und manche sind gierig genug, den Toten sogar die Goldzähne auszutreten.
     
    „An Kontrollmarsch hom ma murgen?“, fragt Joe in die Runde, während wir uns mit schlechtem Bier zuprosten.
    „ Jo, wir sind mal wieder Aufklärer“, erklärt uns Frank, unser deutscher Freund, der von sich behauptet, mehr Feinde gekillt zu haben als sich die Zähne
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