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Delirium

Delirium

Titel: Delirium
Autoren: Lauren Oliver
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machen. Rosa ist zu kindlich. Orange ist schräg.
    Â»Und was machst du gerne in deiner Freizeit?«
    Ich entwinde mich sanft ihrem Griff. »Das sind wir doch schon durchgegangen.«
    Â»Das hier ist wichtig, Lena. Wahrscheinlich der wichtigste Tag deines ganzen Lebens.«
    Ich seufze. Mit einem mechanischen Sirren schwingen vor uns langsam die Tore auf, die die Regierungslabors abriegeln. Es haben sich bereits zwei Schlangen gebildet: auf einer Seite die Mädchen und fünfzehn Meter weiter an einem anderen Eingang die Jungen. Ich blinzele ins Sonnenlicht und versuche Bekannte zu entdecken, aber die auf dem Meer glitzernde Sonne treibt mir schwarze Punkte vor die Augen.
    Â»Lena?«, hakt meine Tante nach.
    Ich hole tief Luft und leiere die Rede herunter, die wir eine Milliarde Mal geprobt haben. »Es macht mir Spaß, bei der Schülerzeitung mitzuarbeiten. Ich interessiere mich für Fotografie, weil man dabei einen einzelnen Augenblick einfangen und bewahren kann. Ich bin gerne mit meinen Freunden zusammen und gehe häufig zu Konzerten im Deering Oaks Park. Ich laufe gern und war zwei Jahre lang Vize-Kapitänin der Crosslaufmannschaft. Im 5-km-Lauf bin ich Schulmeisterin. Ich kümmere mich oft um meine jüngeren Familienmitglieder und mag Kinder.«
    Â»Du schneidest eine Grimasse«, sagt meine Tante.
    Â»Ich mag Kinder sehr«, wiederhole ich und verziehe den Mund zu einem Lächeln. Ehrlich gesagt mag ich nicht besonders viele Kinder außer Gracie. Sie sind immer so unruhig und laut, sie fassen alles an und sabbern und machen in die Hose. Aber ich weiß, dass ich irgendwann eigene Kinder haben muss.
    Â»Schon besser«, sagt Carol. »Weiter.«
    Zum Abschluss sage ich: »Meine Lieblingsfächer sind Mathe und Geschichte«, und sie nickt zufrieden.
    Â»Lena!«
    Ich drehe mich um. Hana steigt gerade aus dem Auto ihrer Eltern, ihre blonden Haare fallen in Strähnen und Wellen um ihr Gesicht, ihre halb durchscheinende Tunika entblößt eine sonnengebräunte Schulter. Alle Mädchen und Jungen, die vor den Labors in der Schlange warten, haben sich umgedreht und sehen sie an. Hana hat diese Macht über Menschen.
    Â»Lena! Warte!« Hana rennt die Straße entlang und winkt mir überschwänglich zu. Der Wagen hinter ihr wendet langsam: vor und zurück, vor und zurück in der engen Einfahrt, bis er in die andere Richtung weist. Das Auto von Hanas Eltern ist so schnittig und dunkel wie ein Panther. Die wenigen Male, die wir zusammen damit gefahren sind, habe ich mich gefühlt wie eine Prinzessin. Kaum jemand besitzt heutzutage ein Auto und noch weniger Leute haben ein Auto, das fährt . Öl ist streng rationiert und sehr teuer. Einige Leute aus der Mittelschicht haben vor ihren Häusern noch Autos wie Denkmäler stehen, kalt und ungenutzt, die Räder makellos und neu.
    Â»Hallo, Lena«, sagt Hana atemlos, als sie uns eingeholt hat. Eine Zeitschrift fällt aus ihrer halb geöffneten Tasche und sie bückt sich, um sie aufzuheben. Es ist eine der Regierungsveröffentlichungen, Heim und Familie , und als Reaktion auf meine gehobenen Augenbrauen verzieht sie das Gesicht. »Mom hat gesagt, ich soll sie mitnehmen und darin lesen, während ich auf meine Evaluierung warte. Sie meint, das würde einen guten Eindruck machen.« Hana steckt einen Finger in den Hals und tut so, als würde sie sich übergeben.
    Â»Hana«, flüstert meine Tante scharf. Die Angst in ihrer Stimme lässt mein Herz aussetzen. Carol verliert praktisch nie die Beherrschung, noch nicht mal für einen Moment. Sie dreht schnell den Kopf in beide Richtungen, als rechnete sie damit, dass an diesem sonnigen Morgen Aufseher oder Gutachter auf der Straße herumstünden.
    Â»Keine Sorge. Wir werden nicht beobachtet.« Hana kehrt meiner Tante den Rücken zu und formt mit den Lippen: noch nicht . Dann grinst sie.
    Die doppelte Schlange aus Mädchen und Jungen vor uns wird länger und reicht inzwischen bis auf die Straße. Jetzt gleiten die Glastüren der Labors auf, mehrere Krankenschwestern mit Klemmbrettern tauchen auf und schicken Leute in die Wartezimmer. Meine Tante legt mir eine Hand auf den Ellbogen, leicht und flüchtig wie ein Vogel.
    Â»Ihr stellt euch besser an«, sagt sie. Ihre Stimme klingt wieder normal. Ich wünschte, ein wenig von ihrer Ruhe würde auf mich abfärben. »Und – Lena?«
    Â»Ja?« Mir
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