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Delikates zum Dessert

Delikates zum Dessert

Titel: Delikates zum Dessert
Autoren: Katinka Dietz
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Krankenhaus zurückkam, war Krause ausgezogen. Nicht einmal Frau Rohde wusste etwas über seinen Verbleib zu sagen.
    „War ihm wohl zu langweilig hier bei uns aufm platten Land“, sagte sie schnippisch.
    Ich war mir sicher, dass sie sich Chancen ausgerechnet hatte.
     
    Bis zum heutigen Tage vermag ich nicht zu sagen, ob mein Mann etwas von meinem Fehltritt mitbekommen oder uns gar im Flur gesehen hat. Wenn, dann hat er es sich nie anmerken lassen.
    Ich lege die Illustrierten zurück, als ich endlich aufgerufen werde. Ich weiß es besser, denke ich, als ich hinter der jungen Sprechstundenhilfe her laufe: Einmal ist definitiv einmal. Und auch wenn mich das Gewissen damals fürchterlich geplagt hat, so hatte ich doch eine ganze Weile lang das triumphale Gefühl, wenigstens einmal in meinem Leben einen perfekten Zeitschriften-Moment gehabt zu haben.

Drei Minuten Zähneputzen
     
    Meine Haut duftet nach reifen Aprikosen. Wem immer die Ehre zuteil wird, mit der Zungenspitze über meine Flanken zu fahren, den trägt dieser Geruch fort in einen schwülen Tausendundeine-Nacht-Traum. Mein schwarzes Haupthaar rinnt durch die Finger wie flüssiger Sirup. Begehrliche Männerblicke verfangen sich darin. Wenn ich, wie jetzt, über die weiche Haut meiner Schenkel streichle, ahne ich, dass Allah persönlich bei der Erschaffung meines Körpers zugegen war.
    Und dieser kleine Ingenieurs-Wichser bildet sich ein, er könnte mich mir nichts, dir nichts abschleppen?
    Ich liege auf dem Rücken und blicke durch die Kringel, die der Rauch meiner Zigarette in die Luft malt, zu dem bestickten Baldachin eines Londoner Hotelbetts hinauf. Eine Treibjagdszene mit Reitern, Hunden und Fasanen. Das ganze Zimmer ein englischer Altjungferntraum. Das Bett ist mit einer Rüschenborte verkleidet; die rosafarbenen Samtvorhänge sind schwülstig. Überall Kordeln und Quasten, Gerafftes und Geplüschtes. Eine Goldleiste, eine Seidentapete mit Lilienmuster. Mein Blazer, Rock und Slip liegen über dem Fauteuil am Schreibtisch, Bluse und Pumps habe ich noch an.
    Der Ingenieur ist im Bad. Ich höre, wie er sich die Zähne putzt. Ich bin mir sicher, dass er das korrekt durchzieht, drei Minuten morgens und abends, immer schön von Rot nach Weiß. Zwei- bis dreimal die Woche Zahnseide. Ich habe seine Zähne gesehen. Sie sind gepflegt, aber schön ist etwas anderes.
     
    „Sie sehen aus, als täte Ihnen etwas Gesellschaft gut“, maßte er sich vor einer halben Stunde unten in der Hotelbar an. Und schon hatte ich einen Gin Tonic in der Hand und sah mich mit der ganzen Banalität seines britischen Spießerdaseins konfrontiert. Er kommt aus einem Kaff, dass es nicht wert ist, sich zu merken. Er ist wegen eines Kongresses in London. Piping Systems – Neue Rohrleitungssysteme für die Abwasserentsorgung. Womit habe ich das wieder verdient?
    „Ein schönes Fleckchen Erde, auf dem Sie da wohnen. All die Grachten, all die Coffeeshops, wirklich, ich war mal als Student in Amsterdam …“, trat er ein Klischee nach dem anderen platt und stürzte dabei seinen Drink hinunter.
    Ich kürzte das Gespräch ab.
    „Willst du gleich ficken oder erst in die holländische Tulpenkunde einsteigen?“, fragte ich und stand schon auf, denn die Antwort erübrigte sich.
    Willst du gleich ficken. Ich mag diesen Satz. Ich bin ihn selbst schon einmal gefragt worden. In der Nacht, in der ich gewissermaßen eingeweiht wurde. In der Nacht, in der ich erfuhr, welche Aufgabe Allah mir zugedacht hatte.
     
    Ich war 15, erst seit ein paar Monaten in Wien, und hatte mich noch nicht von all dem erholt, was hinter mir lag. Ich war von zu Hause, das sich in einer mitteldeutschen Kleinstadt befand, abgehauen.
    In Wien erzählte ich jedem, ich wäre 22. Keiner hat das jemals infrage gestellt. Vor allem kein Mann. Natürlich war auch in Österreich das Verführen Minderjähriger eine Straftat – sie haben mich trotzdem gevögelt und mir postkoital einen enormen Lolita-Charme bestätigt. Wie scheinheilig.
    Es war die Zeit, in der die Überzeugung in mir wuchs, dass man Männern alles erzählen kann, wenn sie scharf auf einen sind. Ich war ein frühreifes Früchtchen, das seine Wirkung austesten wollte. Entschlossen, alles auszuprobieren – erst recht das Ungewöhnliche, Verbotene. Ich war überrascht, welch grandiose Wirkung mein sich blühend entwickelnder Körper auf die Männerwelt hatte. Die Tricks der Verführung lernte ich ebenso schnell, wie ich erkannte, dass sich der Schlüssel zu einem
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