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Delikates zum Dessert

Delikates zum Dessert

Titel: Delikates zum Dessert
Autoren: Katinka Dietz
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so toll sah er nun auch wieder nicht aus!
     
    Eines Abends im Juli ging ich hinunter in unser Kellerabteil, um uns Apfelkompott zum Nachtisch zu holen. Ich streckte mich eben nach dem Glas, das weit oben im Holzregal stand, als ich die Kellertür quietschen hörte. Ich fuhr herum.
    Da war er. Er stand lautlos in der Tür und blickte mich an. Ein Schrei entfuhr mir und ich wich in die hinterste Ecke des Abteils zurück, wobei ich über eine Kiste stolperte.
    „Guten Abend“, stammelte ich.
    Nichts kam über seine Lippen. Seine Mimik war absolut unbeweglich. Doch es ging nichts Bedrohliches von ihm aus, als er die wenigen Schritte, die uns trennten, langsam auf mich zu kam. Ich begriff erst viel später, was diese ruhige Zielstrebigkeit, die in seinem Gesichtsausdruck lag, bedeutete: eine Gewissheit, die keines Lächelns bedurfte.
    Er streckte die Hände nach mir aus, fuhr mit den Fingern in mein Haar, ergriff meinen Hinterkopf und zog mich mit sanfter Kraft in einen Kuss hinein, dass sich bereits im ersten Moment der Berührung alles in mir öffnete. Dann zerrte er an meinen Haaren, wobei sich mein Hals nach hinten bog, und betrachtete mich. Er fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Ich kann nicht mehr sagen, ob er mich in die Ecke oder ich mich seinem Leib entgegendrängte. Nichts Grobes ging von seiner Übergriffigkeit aus, eher die Geschmeidigkeit einer Katze. In seinem Opfer regte sich nichts zum Widerstand. Im Gegenteil: Willig war es. Gefügig und wie hypnotisiert.
    Ich spürte seine Erektion noch an meinem schwangeren Bauch, als er längst weg war. Er war so wortlos verschwunden, wie er sich herangepirscht hatte. Ich musste minutenlang im Keller ausharren, um wieder zu Atem zu kommen. Ich hielt mich keuchend am Regal fest, glotzte zur Tür und fragte mich, ob das tatsächlich geschehen war. Fast war ich überzeugt, dass ich mir alles nur eingebildet hatte, als ich mit dem Kompott in der Hand nach oben huschte. Krauses Tür war verschlossen. Kein Laut drang herüber.
    Mit zu Boden geschlagenen Augen sagte ich Peter, mir wäre plötzlich unwohl und entschuldigte mich. Er kannte das mit der Übelkeit schon aus den ersten Wochen der Schwangerschaft und sorgte sich nicht sonderlich.
    „Mach immer schön langsam, Deern“, sagte er.
    Da lag ich, in unserem Ehebett, und starrte im Dunklen an die Decke. Ich hatte mir das Gesicht nicht gewaschen, damit sich der erregende Duft der fremden Frisier-Creme nicht verflüchtigte. Ich presste mir die Faust so stark in den Schoß, dass es schmerzte. In dem Moment, in dem ich glaubte, mir nicht stärker weh tun zu können, kam ich.
     
    Kurz nach der leidenschaftlichen Begegnung im Keller bestellte ich meine Freundin Eva, mit der ich zusammen im Schuhgeschäft gelernt hatte, zu mir nach Hause. Ich bat sie, mir die Haare zu machen. Wir suchten aus einer der Frauenzeitschriften, die in der ganzen Wohnung verstreut herum lagen, etwas für mich aus. Sie kürzte mein Haar um 20 Zentimeter und hantierte so lange mit Tuben, Fläschchen und Plastikhandschuhen, bis ich so unerhört blond war wie Brigitte Bardot in Die Verführerin . Ich hatte es so gewollt.
    Eva, die mittlerweile Verkäuferin in einer Parfümerie war, hatte außerdem Kosmetikproben von Elisabeth Arden mitgebracht. Ich hatte noch nie so teure Schminke aufgetragen. Und wir trugen dick auf: blauen Lidschatten, weißen Lippenstift und so viele Schichten Wimperntusche, dass wir kaum noch aus den Augen gucken konnten. So mussten die Mädchen in den Clubs in Hamburg aussehen.
    „Gib her, Lena“, kicherte Eva und entfernte den schwarzen Lidstrich-Balken über meinen Wimpern mit Klopapier. „Eyeliner muss in einem dünnen Schwung nach oben auslaufen.“
    Mit dem Toupierkamm riss sie mir fast den Kopf vom Hals.
    „Das Wichtigste ist die Fülle am Hinterkopf.“
    Ich hustete mir die Seele aus dem Leib, denn sie verbrauchte eine halbe Flasche Taft bei der Prozedur.
    Ich hatte Herzrasen, bevor Peter vom Dienst nach Hause kam, und das nicht allein wegen meiner gewagten Typveränderung. Wir hatten jede sechs Tassen Bohnenkaffee getrunken, bis meine Verwandlung in eine perfekte 60er-Jahre Blondine über die Bühne gegangen war.
    Irritiert wäre eine starke Untertreibung, wollte man seinen Gesichtsausdruck beim Nachhausekommen beschreiben. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und küsste mich vorsichtig auf den Hals – wohl, weil er befürchtete, in meinem Gesicht Schaden anzurichten. An diesem Abend krächzte meine
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