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Delikates zum Dessert

Delikates zum Dessert

Titel: Delikates zum Dessert
Autoren: Katinka Dietz
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wollte sagen, dass ich durch das Baby wenigstens ein paar weibliche Rundungen bekommen hatte. Ich streckte meinen Busen heraus, der neuerdings ganz prall war. Sie sind mir aufgefallen .
    Du bist eine glückliche Ehefrau! , riss ich mich aus den Hirngespinsten. In meinem Aufzug musste er mich für eine verblödete Hinterwäldlerin gehalten haben. Was war eigentlich in mich gefahren? Ich stach mir mit der Nähnadel in die Fingerkuppe. Mit Absicht und mit solcher Wucht, dass mir die Tränen in die Augen schossen.
    Später machte ich mir die Nägel und starrte verzweifelt in meinen Kleiderschrank. Ich schlüpfte in einen viel zu engen, grauen Faltenrock. Den Reißverschluss musste ich offen lassen. Ich zog meine schwarz-weiß gemusterte Dralon-Strickjacke an und die hohen Stiefel, mit denen ich nicht laufen konnte. Ab nachmittags um halb fünf ging ich zum Einkaufen. An diesem Tag war ich viermal bei Edeka, denn ich „vergaß“ jedes Mal etwas. Ich lief nochmal für ein viertel Pfund Gehacktes los, dann für Schuhputzcreme und schließlich wegen eines Stücks Butter. Ich ging jedes Mal langsam durchs Treppenhaus und polterte beim Betreten wie beim Verlassen der Wohnung mit der Tür. Am Abend schmerzte mein Kreuz und die Hacken hatten Blasen.
    Vor dem Schlafengehen schlüpfte ich noch einmal schnell aus dem Bett. Ich tippelte auf Zehenspitzen an der Badezimmertür vorbei, hinter der ich Peter gurgeln hörte. Ich lugte ein letztes Mal durch den Spion. Wieder nichts. Jochen Krause schien heute gar nicht nach Hause gekommen zu sein.
    Mein Mann schlang seine langen Arme von hinten um mich. Ich rieb meinen Po an seinem Bauch. Er blies mir ins Haar und begann, mich sanft zwischen den Beinen zu streicheln. Ich schämte mich ein wenig, als das kam, was jeden Abend kam: unser Gute-Nacht-Ritual.
    „Du würdest dich nie zu einem anderen Mann legen, nicht wahr?“, fragte Peter bedeutungsschwer.
    „Niemals.“
    „Versprichst du’s?“
    „Bei meinem Leben“, sagte ich so feierlich ich es vermochte.
    Dann wurde sein Streicheln so intensiv, wie es sich für das Streicheln in einem Ehebett gehörte. Er befriedigte mich mit seinen Fingern und verzichtete auch diesmal darauf, in mich einzudringen. Seit Wochen hatte er Angst, sein großer Penis könnte unserem Baby Schaden zufügen. Ich teilte seine Sorge.
     
    Ich kaufte Burda-Schnittbögen und nähte mir auf meiner Adlerette-Koffernähmaschine zwei einfache Röcke mit Gummizug – aus den Stoffresten unserer Bouclé-Gardinen im Schlafzimmer. Der Saum endete jeweils über dem Knie – sehr kurz für meine Verhältnisse, aber nicht so frivol wie bei der aktuellen Rockmode. Peter pfiff anerkennend, als ich mich im Wohnzimmer vor ihm drehte. Was ich ihm nicht vorführte, war die Bluse, die ich mir aus den Küchen-Stores geschneidert hatte. In einer Zeitschrift hatte ich ein Fotomodel gesehen, dessen Brustwarzen durch einen transparenten Stoff hindurch schimmerten. In meiner Vorstellung lief die moderne Frau nun überall so herum – nur nicht in unserem Kaff. Dann würde ich eben die erste sein!
    Am Freitag erkundigte Peter sich stirnrunzelnd, warum ich am helllichten Tage Lippenstift trug.
    „Ich fühle mich gerade so hübsch“, lächelte ich und fühlte mich ertappt.
    „Meine Heidekönigin“, lachte er und küsste mich.
    Ich sah die ganze Woche nicht einmal den Schatten unseres Nachbarn. War er auf Geschäftsreise? Vor meinem inneren Auge führte er wichtige Gespräche in Konferenzräumen. Oder schlenderte mit leicht bekleideten Mädchen über die Reeperbahn. Oder strich mit zarten Fingern über meinen Bauch. Oder fuhr mit seiner Zunge über meine Brustwarzen.
     
    Erst in der darauf folgenden Woche rief ich mich zur Vernunft. Was veranstaltete ich hier für ein Theater? Wie, um mich selbst für die Schlechtigkeit meines Verhaltens abzustrafen, verwandelte ich mich wieder in die provinzielle Hausfrau, die ich war. Ich zog mir wieder die Kittelschürze an, ließ mein Haar herunterhängen, schlüpfte in die Gesundheitslatschen und legte meine Schminke zurück in den Alibert.
    Und doch musste ich jeden Tag die Haustür von innen abwischen, um die Spuren zu entfernen, die meine platt gedrückte Nase dort hinterlassen hatte. Noch heute sehe ich mich von morgens bis abends mit zusammengekniffenen Augen am Spion stehen. In jener Woche beobachtete ich zwei-, dreimal, wie der Nachbar aus Hamburg das Haus verließ. Wenn er auch immer aus dem Ei gepellt war, mit seinen teuren Anzügen –
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