Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
Vom Netzwerk:
in der Hand, also war es ganz natürlich, dass er sie auf die Flüchtende richtete. Wahrscheinlich hat er sie angebrüllt, stehen zu bleiben. Möglicherweise hätte er in die Luft geschossen oder in ihre Nähe. Aber er hatte wohl kaum einen Grund, sie zu verletzen oder gar zu töten. Das Leben des Mädchens war zu keiner Zeit ernsthaft in Gefahr.«
    Eisenberg schwieg. Er wusste, dass ihm Argumente nicht helfen würden. Greifswald war nicht mit dabei gewesen. Er hatte nicht die Wut gesehen, die das Gesicht des Mannes verzerrt hatte. Und trotzdem glaubte er, die Situation im Nachhinein beurteilen zu können. Nichts, was Eisenberg sagte, konnte daran etwas ändern.
    Greifswald beugte sich vor.
    »Ihr eigenmächtiges Handeln hat Monate mühevoller Polizeiarbeit zunichtegemacht«, sagte er mit einer Stimme, die jetzt nicht mehr verständnisvoll, sondern schneidend war. »Indem Sie verhindert haben, dass wir die Hintermänner schnappen und damit den Mädchenhandel in Hamburg wirksam stoppen, haben Sie eine unbekannte Zahl junger Mädchen einem schrecklichen Schicksal ausgeliefert. Aber damit müssen zum Glück Sie leben, nicht ich.«
    Eisenberg erwiderte nichts.
    »Disziplinarisch habe ich keine Handhabe gegen Sie«, fuhr Greifswald fort. »Sie waren der Einsatzleiter. Es war Ihre Entscheidung. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich sehr enttäuscht bin. Ich will offen zu Ihnen sein: Sie werden unter meiner Führung keinen weiteren Außeneinsatz leiten. Sie können es sich aussuchen, ob Sie in meiner Hauptabteilung einen Schreibtischjob machen oder sich woandershin versetzen lassen wollen. Aber glauben Sie nicht, dass das hier ein ruhiger Job wird. Ich erwarte von allen meinen Mitarbeitern höchsten Einsatz – im Rahmen ihrer Fähigkeiten.«
    Eisenberg erhob sich von seinem Besucherstuhl.
    »Ist das alles, Herr Kriminaldirektor?«
    »Noch nicht ganz. Ich möchte, dass Sie mir einen detaillierten Bericht über die Verbindungen der Hintermänner erstellen. Ich will alle Details: Firmenbeteiligungen, Geschäftskontakte, Wohnungen, Telefonanschlüsse, was immer Sie in Erfahrung bringen können. Rufen Sie die Kollegen in Honduras und Guatemala an. Recherchieren Sie im Internet. Sie kennen sich doch mit dem Internet aus, oder? Und, Eisenberg, ich weiß, dass Sie mich nicht leiden können. Das macht mir nichts aus. Die Cops in New York konnten mich auch nicht leiden. Auch mit denen bin ich fertiggeworden, und das sind die härtesten Cops der Welt. Also bilden Sie sich nicht ein, mich mit Ihren vorwurfsvollen Blicken und Ihrem bedeutungsvollen Schweigen einschüchtern zu können. Und denken Sie darüber nach, ob Sie wirklich die restlichen Jahre bis zu Ihrer Pensionierung in der Hauptabteilung 6 bleiben wollen.«
    »Ist das alles, Herr Kriminaldirektor?«
    »Das ist alles, Herr Eisenberg. Ich erwarte den Bericht nächsten Donnerstag. Die elektronische Form genügt – in dieser Behörde wird ohnehin viel zu viel Papier verschwendet.«
    Udo Pape, mit dem Eisenberg sich ein kleines Büro teilte, sah von seinem Computer auf.
    »Wie ist es gelaufen? Nicht gut, oder?«
    Eisenberg setzte sich. Pape wartete geduldig auf eine Antwort. Er kannte seinen Kollegen gut genug.
    »Er hat mir nahegelegt, mich versetzen zu lassen.«
    »Das kann doch nicht wahr sein! Dieses arrogante …« Pape verschluckte die Bezeichnung, die er ihrem Chef zugedacht hatte. Die Wände des Büros waren nicht dick genug für Wutausbrüche. »Du ziehst das doch nicht ernsthaft in Erwägung, oder?«
    »Die Vorstellung, die nächsten Jahre nur hier in diesem Büro zu verbringen, ist nicht gerade ein Anlass zur Freude.«
    »Was meinst du damit?«
    »Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich keine Außeneinsätze mehr leiten werde.«
    »Du? Das kann er doch nicht ernst meinen! Du bist der beste Einsatzleiter, den er hat.«
    »Das sieht er anders.«
    »Eins sage ich dir: Wenn du gehst, dann bleibe ich auch nicht. Dann soll er mal sehen, wie er das organisierte Verbrechen ohne Mitarbeiter bekämpft.«
    Eisenberg antwortete nicht. Papes Solidaritätsbekundungen taten gut, aber er wusste, dass sie am Ende nicht viel wert waren. Wenn es hart auf hart kam, würde kaum jemand seine Aufstiegschancen opfern, nur um gegen eine Ungerechtigkeit zu protestieren. Er hätte das auch nicht gewollt.
    Er machte sich wieder an die Arbeit. Der Bericht, den Greifswald haben wollte, war natürlich längst fertig – selbstverständlich hatte Eisenbergs Team sämtliche Hintergründe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher