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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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eine Menge Schizophrene, wie Sie sich denken können. Viele von ihnen wirken im ersten Moment sehr vernünftig, aber man merkt doch schnell, dass sie Probleme haben, ihre Gedanken und die Geschehnisse in der Realität auseinanderzuhalten. Sie leiden unter Halluzinationen und haben das Gefühl, fremdgesteuert zu sein. Das muss ich Ihnen ja sicher nicht erklären. Bei Julius Körner war es allerdings irgendwie … anders. Einen solchen Fall hatte ich hier noch nicht.«
    »Inwiefern anders?«, fragte Eisenberg.
    »Logischer«, sagte Jenisch. »Konsistenter. Sehen Sie, Schizophrene bauen sich ihre eigenen Gedankengebäude auf. Sie erklären ihre Wahrnehmungen mit oft hanebüchenen Konstruktionen. So ähnlich, wie ein Straftäter ein Alibi konstruiert. Doch diese Konstruktionen sind in der Regel inkonsistent und brüchig. Sie widersprechen jeder Logik. Die Schizophrenen wissen das intuitiv und reagieren meist äußerst gereizt, wenn man sie auf diese Widersprüche hinweist.«
    »Und Körner tat das nicht?«
    »In seiner Theorie gab es keine logischen Widersprüche. Jedenfalls keine, die ich erkannt hätte. Er hatte auf jede Frage, die ich ihm gestellt habe, eine Antwort. Und zwar eine plausible Antwort.«
    »Er hat Ihnen auch erzählt, dass er die Welt für eine Computersimulation hält, oder?«
    »Ja. Aber, sehen Sie, wir wissen nicht wirklich, ob das Unsinn ist, oder? Es gibt sogar Physiker, die das für wahrscheinlich halten. Ich habe ein bisschen recherchiert und war gelinde gesagt überrascht, wie viele gute Argumente es für diese These gibt.«
    »Das heißt doch wohl noch lange nicht, dass sie wahr ist«, schaltete sich Polizeihauptmeister Friedrichsen ein.
    »Natürlich nicht«, stimmte Jenisch zu. »Aber es hat einen erheblichen Einfluss auf die Beurteilung seines psychopathologischen Zustands. Nur, weil jemand etwas glaubt, das nicht erwiesenermaßen wahr ist, ist er ja noch nicht geisteskrank. Anderenfalls müsste man alle einsperren, die sonntags in die Kirche gehen.«
    »Körner hat fünf Menschen umgebracht!«, brauste Friedrichsen auf. »Wollen Sie mir erzählen, das sei normal?«
    Jenisch blieb gelassen.
    »Auch Mörder sind nicht automatisch Psychopathen. Man kann einen Menschen aus rationalen oder emotionalen Motiven töten, das muss ich Ihnen als Polizist sicher nicht erklären.«
    »Das heißt, Sie halten Körner für schuldfähig?«, fragte Eisenberg.
    »Ich halte ihn zumindest nicht für einen gewöhnlichen Fall von paranoider Schizophrenie«, sagte Jenisch. »Ich würde diese Diagnose sogar rundheraus ablehnen, wenn da nicht die Halluzinationen wären, von denen er berichtete. Stimmen, die er zu hören glaubte, und das Gefühl, Drähte und Schläuche in seinen Körperöffnungen zu haben. Manchmal erzählte er auch davon, nachts in einer Art Sarg aufzuwachen.«
    »Also ist er doch verrückt«, sagte Friedrichsen.
    »Wenn wir davon ausgehen, dass die Stimmen und Schläuche Halluzinationen sind, dann ist er in der Tat schizophren und somit höchstens vermindert schuldfähig.«
    »Was soll das heißen, ›wenn wir davon ausgehen‹?«, wollte Friedrichsen wissen.
    »Nun, bis gestern hätte ich gesagt, ich kann zwar nicht sicher sagen, ob er nicht doch recht hat mit seinen Wahrnehmungen, aber es ist hinreichend unwahrscheinlich. Also hätte ich mich der Diagnose ›Paranoide Schizophrenie‹ angeschlossen.«
    »Und jetzt haben Sie Ihre Meinung geändert?«, fragte Morani.
    »Jetzt bin ich mir zumindest nicht mehr so sicher. Da ist einerseits die Tatsache, dass er auf völlig unerklärliche Weise verschwunden ist. Aber es ist nicht nur das. Als er hier vor fünf Monaten eingeliefert wurde, war er schwer depressiv, sogar suizidgefährdet. Der Zustand besserte sich allmählich und stabilisierte sich dann – er hatte sich offensichtlich mit seiner Situation abgefunden. Aber vorgestern gab es einen plötzlichen Stimmungsumschwung. Er wirkte auf einmal gelöst, geradezu fröhlich. ›Ich komme hier raus‹, hat er mir gesagt. Ich dachte zuerst, er meint die Klinik, aber er meinte die Welt – unsere Welt. Ich habe ihn gefragt, wie er darauf kommt, und er behauptete, die Admins – so nennt er die Stimmen, die er hört – hätten es ihm gesagt. Er hat erwähnt, das Programm mit ihm in der Hauptrolle sei zu langweilig geworden und werde abgesetzt oder so ähnlich. Ich kann nicht behaupten, dass ich alles genau verstanden habe. Natürlich habe ich gedacht, dass er auf eine Krise zuläuft – ungewöhnliche
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