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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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bitterlich über das »unprofessionelle« Verhalten der Deutschen beschwerte, das die Ehre des Weißen Baums befleckt habe. Auf Minas Nachfrage sagte er, Thomas alias ShirKhan nicht gesehen zu haben, mit ihm aber noch ein ernstes Wort reden zu wollen. Derartiges Verhalten könne die Gilde nicht dulden. Er müsse zumindest mit einer Verwarnung rechnen, vielleicht auch mit einer Strafzahlung von mindestens 1 0 000 Goldflorin an die Gilde. Und bei Wiederholung sei ein Ausschluss aus der Gemeinschaft des Weißen Baums so gut wie sicher.
    Mina fragte auch andere Gildenmitglieder, doch niemand hatte ShirKhan gesehen. Man bot ihr an, an einem Raid gegen eine Gruppe von Eisriesen teilzunehmen, die angeblich einen riesigen Schatz gehortet hatten. Doch obwohl Mina ihren Anteil daran gut hätte gebrauchen können, lehnte sie ab. Ihr war nicht nach einer Spielsession, die bis in die frühen Morgenstunden dauern würde. Sie loggte sich aus und versuchte abermals, Thomas über Handy und Skype zu erreichen, ohne Ergebnis.
    Warum war sie nur so nervös? Dass jemand bei einem Raid aus der Reihe tanzte, konnte vorkommen. Vielleicht war ihm sein Verhalten einfach nur peinlich, und er mied deshalb den Kontakt zu ihr und den anderen Spielern. Im Grunde kannte sie Thomas nicht besonders gut. Er studierte Informatik wie sie. Sie hatte ihn in einem Tutorium kennengelernt und sich ein paarmal mit ihm und ein paar Kommilitonen zu Klausurvorbereitungen getroffen. Hin und wieder waren sie sich in der Mensa begegnet. Als er ihr erzählt hatte, dass er gern World of Wizardry spielte, hatten sie sich dort verabredet. Seitdem hatten sie online wesentlich mehr Kontakt gehabt als in der Realität, obwohl Minas Wohnung nur ein paar Hundert Meter von seiner entfernt lag. Sie war noch nie bei ihm zu Hause gewesen.
    Sein Skype-Status stand weiterhin auf »online«.
    »Verdammt, Thomas, was ist los mit dir? Melde dich endlich!«, tippte sie. Doch es kam keine Reaktion.
    Schließlich ging sie frustriert zu Bett.
    Gegen fünf Uhr morgens wachte sie auf. Im Traum war sie von allerlei Ungeheuern verfolgt worden. Thomas hatte tatenlos dagestanden und dümmlich gegrinst, während die Monster sie bei lebendigem Leibe zerrissen. »Tut mir leid«, hatte er immer wieder gesagt.
    Sie versuchte, wieder einzuschlafen, was ihr jedoch misslang. Schließlich stand sie auf und fuhr den Laptop hoch. Thomas war angeblich noch immer online. Da sie sich nicht vorstellen konnte, dass er die Nacht durchgemacht hatte, musste das bedeuten, dass er seinen Computer seit Tagen nicht heruntergefahren, vermutlich nicht einmal angerührt hatte.
    Das ungute Gefühl übernahm jetzt wieder die Oberhand. Thomas’ seltsame Worte während des Raids fielen ihr wieder ein. »Alles ist wahr.« Was sollte das bloß bedeuten?
    Sie gab » Welt am Draht « bei Google ein und fand einen Wikipedia-Artikel über einen Science-Fiction-Film aus den Siebzigerjahren. Die Story schien der Filmtrilogie Die Matrix zu ähneln, die Mina vor ein paar Jahren gesehen hatte. Damals war sie in der Gothic-Szene aktiv gewesen, und ihr hatten an dem Film vor allem die düsteren Outfits der Hauptdarsteller gefallen. Die Handlung war ihr zwar interessant, aber doch auch ziemlich weit hergeholt und unlogisch vorgekommen. Warum sollten sich intelligente Computer die Mühe machen, Menschen in einer Art Legebatterie zu halten und ihnen realistische virtuelle Welten vorzugaukeln? Für die Energiegewinnung gab es sicher effizientere Methoden. Hielt Thomas die Welt etwa für eine solche Simulation? War es das, was er mit »alles ist wahr« gemeint hatte? Aber was hatte das mit seinem seltsamen Verhalten zu tun? Möglicherweise hatte er unter Drogen gestanden. Aber Thomas war eigentlich nicht der Typ dafür, zumindest hätte sie ihn nicht so eingeschätzt.
    Sie duschte, frühstückte und machte sich gegen halb acht auf den Weg. Ihre Vorlesung begann erst um Viertel nach neun. Die Zeit bis dahin wollte sie nutzen, um herauszufinden, was mit Thomas los war.
    Immer noch öffnete er nicht. Keiner der Mitbewohner hatte ihn seit vorgestern gesehen. Eine Studentin mutmaßte, er sei vielleicht für ein paar Tage zu seinen Eltern nach Darmstadt gefahren. Mina fand die Telefonnummer in einem Onlineverzeichnis und erreichte Thomas’ Mutter. Um sie nicht unnötig zu beunruhigen, erzählte sie nur, dass er zu einem Arbeitsgruppentreffen nicht gekommen sei und sie wissen wolle, ob er überhaupt gerade in Berlin sei. Nein, er sei schon
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